Ostern kommt gerade recht
13.04.2022 Kirche, Kirche, Tradition, GesellschaftAn Ostern feiert die Christenheit das Geheimnis der Auferstehung Jesu und die Hoffnung auf ewiges Leben. Entscheidend ist: Das Fest will Menschen ermutigen, sich auch aus der alltäglichen Umklammerung des Todes zu befreien und den Alltag mit Leben zu füllen. Was ich damit meine, beschreibe ich im Leserbrief «Zeichen für mich und Dich», den ich im «Anzeiger von Saanen» (AvS) am 24. März 2020 publiziert habe:
«Bin draussen auf der Terrasse. Höre das Plätschern des Wassers vom Dorfbrunnen auf der Promenade und geniesse dabei die Stille. Sitze zufrieden da, während hinter mir und über mir unzählige auf den Simsen des Pfarrhauses bereitete Kerzen flackern, die die aufziehende Nacht erhellen und so – inmitten der Coronakrise – zum Zeichen der Solidarität werden. Meinen Blick richte ich bei diesem Gedanken unbewusst auf den klaren Sternenhimmel. Dabei wird mir bewusst: Stille, das Plätschern des Wassers, Kerzenlicht und der Blick zum Himmel sind sinnliche Zeichen. Zeichen, die von der Sehnsucht der Menschheit sprechen, die schon jetzt den Aufgang des vom Joch der Coronaepidemie befreiten, neuen Morgens sehnlichst erwartet.»
Damals war die Sehnsucht spürbar, sich aus der Umklammerung des Leid und Tod bringenden Coronavirus zu befreien und – Kraft der Auferstehung im Alltag – sich dem Leben neu und eben anders zuzuwenden. Doch was ist daraus geworden?
Nach mehr als zwei Jahren Pandemie und kaum hat unsere Gesellschaft alle verpflichtenden Coronaschutzmassnahmen hinter sich, beginnt ein Krieg im Osten Europas. Wenn ich um mich blicke, sehe ich in der näheren Umgebung Menschen mit Existenzängsten und Angst vor Arbeitslosigkeit. Ich sehe Menschen, deren Beziehungen durch hitzige Debatten rund um das Coronavirus auseinandergebrochen sind. Ich sehe todbringende Kriege – nicht nur in der Ukraine –, leidgeplagte Menschen durch Überflutungen und Dürren, die im Zuge des Klimawandels deutlich zunehmen. Hier braucht es überall Auferstehung!
Das und anderes gibt es aber nicht nur irgendwo weit weg in fernen Ländern. Gibt es solches und anderes nicht auch bei uns, wie z.B. Menschenhandel und Ausbeutung, Unwahrheit und Abwanderung junger Leute und junger Familien infolge überrissener Bodenpreise und Mieten?
Auch bei uns gibt es «Todbringendes» durch Unmenschlichkeit, Unwahrheit bzw. mangelnde Kommunikation und vor allem Gier! In all diesen und anderen Herausforderungen kommt Ostern gerade recht. Denn Ostern kündet von der Möglichkeit, umzudenken und einen Neuanfang zu wagen!
Ostern steht für Leben, doch Leben kann nur blühen, wo Menschen sich eindeutig gegen alle Formen von Hass, Krieg, Unwahrheit, Neid, Gier und die weitverbreitete Hybris (griechisch für Überheblichkeit und Hochmut) einsetzen. Was die Welt braucht, sind Menschen mit österlichen Werten. Menschen mit Werten, die Leben ermöglichen – wie Bescheidenheit, Versöhnungsbereitschaft, Nachhaltigkeit und Mitmenschlichkeit.
Seien wir überall auf der Welt österliche Menschen! Menschen, die sich mit Dankbarkeit und Ehrfurcht Gott, der Schöpfung, den Mitmenschen und dem Geschenk und Geheimnis des Lebens öffnen. Erfreuen wir uns achtsam, nachhaltig und ehrfürchtig am «Lebendürfen» im Hier und Jetzt und dereinst – Dank Gottes Sieg über den leiblichen Tod, dem niemand entrinnen kann – in der Ewigkeit! Gesegnete Ostern, wünscht Ihnen allen
ALEXANDER PASALIDI, RÖM-KATH. PFARRER GSTAAD