Gelungener Sommer weckt Ambitionen

  08.09.2022 Tourismus, Gstaad, Volkswirtschaft, Gsteig, Tourismus, Saanenland, Wirtschaft, Schönried, Destination, Hotellerie / Gastronomie, Saanenmöser, Feutersoey, Klima

Der touristische Sommer im Saanenland stimmt zufrieden, aber nicht euphorisch. Wie eine Umfrage zeigt, war die Hotellerie gut ausgelastet und die Bergbahnen Destination Gstaad hat mehr Frequenzen als im Vorjahr verbucht. Doch die Akteure wollen mehr.

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Der Sommer wollte einfach nicht enden. Ein Schönwettertag reihte sich an den anderen. Die Temperaturen blieben konstant hoch, der Regen zeigte sich kaum. Dies schlägt sich in den Zahlen der Bergbahnen Destination Gstaad nieder: Sie verzeichnete von Mai bis Juli eine Zunahme der Frequenzen von neun Prozent, dies gegenüber dem Vorjahr. Die Ersteintritte belaufen sich auf 63’300 und liegen etwas unter den Zahlen vom Coronasommer; damals waren es 65’900. Bisher macht der Sommer zehn Prozent des Jahresumsatzes der BDG aus – zukünftig sollen es 20 Prozent werden, wie Geschäftsführer Matthias In-Albon auf Anfrage sagt. Das aktuelle Sommerergebnis sei erfreulich und trotzdem ernüchternd. «Ich habe höhere Zahlen erwartet, gerade wegen des tollen Sommerwetters.» Schlüssle man die Zahlen auf, sei ebenfalls zu erkennen, dass besonders die Einheimischen mit Saisonabonnement die Bergbahnen mehr genutzt haben.

Der Berg ruft – ein-, zweimal
Ein weiteres beobachtetes Phänomen sei das Nutzungsverhalten der Hotelund Zweitwohnungsgäste. «Sie gehen ein-, zweimal auf den Berg und widmen sich danach anderen Aktivitäten. Egal, ob das Wetter schön ist oder nicht. Irgendwann ist das Quantum erreicht und weitere Ausflüge auf den Berg bleiben aus», erklärt In-Albon. Woran kann es liegen, dass nicht mehr Tagestouristen auf unsere Berge gehen? Die Gründe seien vielfältig. So gebe es rund um das Saanenland viele vorgelagerte Ausflugsberge – Glacier 3000, Moléson, Stockhorn, Niesen. «Von den Städten aus sind die Tagestouristen viel schneller auf diesen Bergen und erhalten die gewünschte Panoramaaussicht. Die Anfahrt bis zu uns dauert für den Tagestouristen fast zu lange», so der Geschäftsführer. Es brauche mehr Attraktionen und Angebote auf dem Berg, damit die Leute anreisen würden. «Die zwei Höhenwanderungen vom Rinderberg auf das Horneggli oder von der Wispile zum Lauenensee sind sehr gut frequentiert. Dies ist ein erfreuliches Ergebnis.» Es zeige, dass in diese Angebote mehr investiert werden müsse. «Durch die verschiedenen Investitionen, Angebote und die Ausrichtung wollen wir unsere Berge im Sommer noch attraktiver machen, damit auch mehr Leute unsere Bergbahnen benutzen.» Deshalb habe die BDG verschiedene Massnahmen aufgegleist, beispielsweise durch diverse Überbauungsordnungen. «Raumplanerisch machen wir vorwärts, doch es braucht immer seine Zeit.» Auf der Wispile möchten sie beispielsweise eine Zipline realisieren. «Aber der Bewilligungsprozess ist schwierig und langwierig.»

Genuss statt Action
Jedoch ist die Schweiz nicht nur am Wandern und Spazieren, sondern auch am Biken. Besonders seit dem Ausbruch der Pandemie setzte ein Veloboom ein, die Fabriken konnten die immense Nachfrage nicht immer decken. Wie sieht es mit der Bikeinfrastruktur im Saanenland aus? «Das soll zeitgleich mit der neuen Hornegglibahn erfolgen», antwortet In-Albon. Gemeinsam mit Gstaad Saanenland Tourismus sei die BDG dran, Bikewege in Kombination mit der neuen Bahn zu schaffen. Es sei allerdings nicht das Ziel, ein actionreiches Bikewegnetz wie beispielsweise in der Lenzerheide zu erstellen. «Bei uns steht weiterhin der Genuss im Vordergrund», betont In-Albon. Tourismusdirektor Flurin Riedi pflichtet ihm bei: «Mit unserer Bike-Strategie verfolgen wir die Realisierung eines attraktiven Bike-Angebotes, welches Genuss-Biker wie auch ambitionierte Mountainbiker ansprechen soll. Wir wollen kein Disneyland auf den Bergen mit massiven Eingriffen und farbigem Plastik.» Die Biketrails sollen als naturnahe Singletrails realisiert werden, und sich dabei optimal mit dem Wanderwegnetz ergänzen. «Nicht Teil der Bike-Strategie wie auch des Angebotes im Gebiet Horneggli sind Enduro- oder Downhillstrecken.»

Die Auslandstouristen kommen wieder
Wechsel zum Schauplatz Hotellerie. «Die Sommersaison ist soweit erfreulich verlaufen», sagt Christof Huber, Präsident des Hoteliervereins Gstaad Saanenland, auf Anfrage. Wie der aktuellen Logiernächtestatistik zu entnehmen ist, die dem «Anzeiger von Saanen» vorliegt, übernachteten von Mai bis Juli rund 97’700 Gäste in der Destination Gstaad inklusive Zweisimmen. Es würden wieder vermehrt ausländische Gäste in die Region kommen, so Huber. Ein Blick in die Zahlen zeigt: Im Juli 2021 verweilten rund 6600 Europäer im Saanenland, diesen Sommer waren es rund 7900 im Juli. Der Tourismus hat besonders stark von der Zunahme aus den Fernmärkten wie den Vereinigten Staaten oder den Golf-Staaten profitiert: Im Juli 2022 reisten rund 8000 Personen aus Übersee ins Saanenland, 2021 waren es im gleichen Monat nur rund 3500. Zudem hätten die Topevents wie das Beachvolleyballund Tennisturnier sowie das Gstaad Menuhin Festival «massgeblich zum guten Ergebnis» beigetragen, so Huber.

115 Betten weniger
Gesamthaft sind die Anzahl Logiernächte allerdings im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen: Von Mai bis Juli 2021 waren es rund 112’400 Logiernächte, ein Rückgang von rund 14’700 Übernachtungen. Der direkte Vergleich sei allerdings verzerrt, sagt Tourismusdirektor Flurin Riedi: «Wir hatten weniger Betten zur Verfügung, wie zum Beispiel das Hotel Solsana, welches nicht mehr als Hotelbetrieb am Markt ist.» Das Sun&Soul Panorama Pop-Up Hotel zählte 115 Betten, die sich im tieferen Preissegment bewegten. Die Immobilie gehörte dem Schweizer Sehbehinderten- und Blindenverband (SBV), der das Gebäude nun an Bach Immobilien und Matti Immobilien AG sowie zwei Minderheitsaktionäre weiterverkauft hat. Zukünftig soll dort das Fünfsternehaus Grand Hotel Sonnenhof zu stehen kommen (wir haben berichtet). Ein weiteres Angebot also für den Luxusmarkt, jedoch eines weniger im Drei- und Vier-Sterne-Bereich. «Es muss unbedingt unser Ziel sein, in diesem Segment Hotels auf den Markt zu bringen», sagt Riedi. Denn die Destination Gstaad wolle weiterhin Gäste aus allen Gesellschaftsschichten ansprechen. Dafür brauche es entsprechend ein Hotelangebot. Zurzeit sind verschiedene Projekte im Köcher: In Gstaad entsteht das The Mansard, ein Dreisternehotel mit 30 Zimmern. Zudem ist als Ersatz für das Dreisternehotel Solsana ein grösseres Projekt auf dem Saanerhof-Gelände in Saanen geplant.


VERGLEICH SCHWEIZ

Wie ist der Sommer allgemein in der Schweiz verlaufen? Wie der Verband Seilbahnen Schweiz in einer aktuellen Mitteilung schreibt, vermelden die Seilbahnen ein positives Zwischenfazit: Im Vergleich zum Vorjahr hat die Branche bisher rund 40 Prozent mehr Umsatz und 30 Prozent mehr Ersteintritte erzielt. Im Fünfjahresvergleich liegen die Zahlen für die Gesamtschweiz 17 Prozent beziehungsweise neun Prozent höher.

Die im Juli gemeldeten Zuwächse von rund 50 Prozent beim Umsatz beziehungsweise 40 Prozent bei den Ersteintritten sind – wenn man den August mit einbezieht – um rund zehn Prozentpunkte zurückgegangen, wie es weiter heisst. Im Vergleich zum verregneten Sommer 2021 (Mai bis August) betrage die Umsatzsteigerung 41 Prozent und der Zuwachs bei den Ersteintritten 31 Prozent.

Dieser relative Rückgang habe verschiedene Gründe, schreibt der Verband: «Der Sommer 2021 startete mit schlechtem Wetter, die Wende zum schönen Wetter erfolgte im August. Zudem waren im August 2021 erste Gäste aus den Fernmärkten auf den Schweizer Bergen.» Durch die Aufhebung von Corona-Massnahmen in vielen Ländern zog der internationale Tourismus im Jahr 2022 deutlich an und auch viele Einheimische buchten wieder vermehrt Ferien im Ausland.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) präsentierte ebenfalls provisorische Ergebnisse der Schweizer Beherbergungszahlen vom Juli 2022: Die Hotellerie verzeichnete insgesamt 4,5 Millionen Logiernächte. Das sind plus 23,2 Prozent oder plus 848’000 Logiernächte im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode. Insgesamt 2,1 Millionen Logiernächte gingen auf das Konto der ausländischen Gäste (plus 98,4 Prozent; plus 1,1 Millionen). Die inländischen Gäste generierten 2,4 Millionen Logiernächte (minus 8,4 Prozent; minus 216’000).

PD


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