Veränderungen und Kompetenzen

  03.07.2023 , Region, Bildung

15 Kaufleute und sechs Detailhandelsfachleute der Region Simmental-Saanenland feierten am vergangenen Donnerstag ihren Lehrabschluss im Saaner Landhaussaal. Die Absolventinnen und Absolventen der Wirtschaftsschule Thun, Standort Gstaad, durften nach einer intensiven Ausbildungszeit ihre hart erarbeiteten Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse in Empfang nehmen. In die Berufswelt entsendet wurden sie mit dem Leitmotiv der «Veränderung».

FRANZISKA RAAFLAUB
Was kann ein «Boomer» der «Generation Z» eigentlich mitgeben? Marc Matti, Konrektor der Wirtschaftsschule Thun und Schulleiter am Standort Gstaad, warf in seiner Eröffnungsrede einen kritischen Blick zurück auf seine Ausbildungszeit und verglich sie mit den Herausforderungen, die junge Leute heute beschäftigen. Vor ungefähr 40 Jahren, das heisst in den frühen Achtzigerjahren, hatte er seine Matura abgelegt. Der erste iMac von Apple war damals gerade auf den Markt gekommen und um Musik zu hören, musste man sich eines CD-Players bedienen. «Dirty Dancing» und «Flashdance» liefen im Kino, in Zürich gab es Jugendunruhen und Brasilien unterlag im Viertelfinale der Fussballweltmeisterschaft 2:3 gegen Italien. Am Skirennen in Adelboden waren Skigrössen wie Pirmin Zurbriggen mit von der Partie und es hatte Schnee – auch neben der Piste. Kurzum: Die Welt war ziemlich in Ordnung. Heute sind junge Berufsleute einer weitaus feindlicheren Umgebung ausgesetzt: Klimawandel, Pandemie, Kriege und Flüchtlingsströme prägen das geopolitische Geschehen. Das Leben spielt sich weitgehend im Smartphone ab, Unterhaltung liefern Netflix und Instagram. Alle sind ständig miteinander verbunden und trotzdem auf sich gestellt. Die wichtigste Aufgabe der «älteren» Generation sei es daher, jungen Menschen den nötigen Halt zu geben und Strukturen zu vermitteln – eine Aufgabe, die trotz (oder gerade wegen) der steten Veränderung eine Konstante bleibt.

Marc Matti kam im Zuge des technischen und weltpolitischen Wandels auch auf dessen Auswirkungen in der Berufsbildungslandschaft zu sprechen. Sowohl im Detailhandel als auch im kaufmännischen Bereich wurden Reformen initiiert. Statt klassischer Schulfächer sollen neu «Handlungskompetenzen» vermittelt werden. Ein wichtiges Ziel der Bildungsreform liegt darin, dem Fachkräftemangel zu begegnen und den Fachausweis zugänglicher und zukunftsfähiger zu machen.

Der Konrektor und Schulleiter dankte allen Ausbildnerinnen und Ausbildnern für ihren unermüdlichen Einsatz und appellierte an sie, auch in Zukunft jungen Menschen eine Chance zu geben. Ebenso würdigte er den Rückhalt der Eltern der Absolventinnen und Absolventen und betonte die Bedeutung eines intakten familiären Umfelds für den Erfolg der Berufsausbildung.

Die Bedeutung von Handlungskompetenzen
Nach einem «lüpfigen» Intermezzo der Familienmusik «Lasenberg» aus Erlenbach – deren Gitarrist, Bruno Dubach, ebenfalls an diesem Abend sein Diplom als Detailhandelsfachmann in Empfang nehmen durfte – ergriff Grossrat Matthias Matti aus Zweisimmen das Wort.

In seiner Laudatio kam er nicht zuletzt auf seine Funktion als Projektleiter des VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) zu sprechen. Er begleitet die Räumung des Munitionslagers Mitholz und ist als Ansprechperson und Koordinator für die lokale Bevölkerung und die örtlichen Behörden im Einsatz. Seinen Lehrabschluss hatte er vor 34 Jahren gemacht – ebenfalls ein Anlass dafür, einen kurzen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Zu den Lerninhalten seiner Berufsausbildung gehörten damals noch Stenografie, Informationen wurden durch den Brockhaus beschafft und die Rechtschreibung mit dem Duden abgeglichen. Für die einzelnen Fächer gab es Lehrbücher. «Auf den ersten Blick helfen mir Mathematik, Französisch oder Steno in meiner aktuellen Funktion nicht, aber das KV war trotzdem wertvoll – wegen den vermittelten Soft Skills.» Er nannte vor allem Durchhaltewillen, Durchsetzungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Empathie als nützliche Begleiter für seine emotionsgeladene Arbeit mit der lokalen Bevölkerung. Eine Arbeit, die in keinem Lehrbuch steht und in der Handlungskompetenzen – das umstrittene Reformobjekt – grosses Gewicht haben.
Als Botschaft gab Matthias Matti den neuen Fachkräften mit auf den Weg, die ungewisse Zukunft mit all ihren Veränderungen nicht zu fürchten. Misserfolge dienten dazu, die nächste Entscheidung richtig zu fällen. Ebenso sollten sie jede Möglichkeit zur Weiterbildung nutzen: «Glaubt niemandem, der euch davon abhalten will, etwas zu lernen.»


SOLIDER DURCHSCHNITT UND EINIGE TOPRESULTATE

Die Leistungen der sechs Detailhandelsfachleute waren insgesamt gut, im Durchschnitt wurde die Note 4,8 in den betrieblichen und schulischen Prüfungen erzielt. Rangplatzierungen (ab Notendurchschnitt 5,3) wurden knapp nicht erreicht.

Bei den Kaufleuten wurden die betrieblichen Prüfungen durchschnittlich mit einer 5,0 abgeschlossen; die schulischen Leistungen lagen bei einer 4,9. Fünf der insgesamt 15 Kaufleute erhielten eine Auszeichnung. Den vierten Rang mit einem Notenschnitt von 5,3 erreichten sowohl Chiara Remy (Hotel Gstaad Palace) als auch Inna Feller (Gstaad Saanenland Tourismus). Den dritten Rang belegte Jasmin Teuscher (Menuhin Festival Gstaad) mit der Gesamtnote 5,4. Sophie Müller (Lenk-Simmental Tourismus) erzielte den zweiten Rang mit einem Schnitt von 5,5. Als Klassenbester im ersten Rang mit Note 5,7 schloss Nicola Buchs (Raiffeisenbank Obersimmental-Saanenland) ab.

Neben den kantonalen Auszeichnungen verleiht die Wirtschaftsschule Thun am Standort Gstaad jeweils auch Spezialpreise, die von der Ribo Treuhand AG in Gstaad gestiftet werden. Honoriert werden herausragende Leistungen in den Bereichen Sprachen, Wirtschaft sowie in Selbst- und Sozialkompetenz. Sowohl im Detailhandel als auch im kaufmännischen Bereich müssen hohe Hürden überwunden werden: Der Durchschnitt aller Sprachfächer und im Fach Wirtschaft muss über 5,5 liegen. Es konnten vier Spezialpreise vergeben werden: Nicola Buchs (Raiffeisenbank Obersimmental-Saanenland) erhielt eine Auszeichnung im Bereich Wirtschaft, Jasmin Teuscher (Menuhin Festival Gstaad) wurde für ihre Sprachfähigkeiten gewürdigt und Sophie Müller (Lenk-Simmental Tourismus) sowie Deborah von Siebenthal (Raiffeisenbank Obersimmental-Saanenland) wurden für ihre Selbst- und Sozialkompetenz sowie ihren grossen Arbeitseinsatz prämiert.

FRANZISKA RAAFLAUB

Kaufleute ES20: Buchs Nicola, Raiffeisenbank Obersimmental-Saanenland; Feller Inna, Gstaad Saanenland Tourismus; Hasanica Faris, Müller Medien, Gstaad; Michel Yannick, Hotel Ermitage, Schönried; Müller Franko, 4insiders; Müller Sophie, Lenk-Simmental Tourismus; Nava Sara, Saanen Bank; Reichen Amely, Gemeinde Lauenen; Remy Chiara, Hotel Gstaad Palace; Teuscher Jasmin, Menuhin Festival Gstaad; Trummer Raphaela, Gstaad Saanenland Tourismus; von Siebenthal Deborah, Raiffeisenbank Obersimmental-Saanenland; Willié Justine, Gemeinde Saanen; Zeller Jonas, Gemeinde Saanen; Zumbrunnen Svenja, Gemeinde Gsteig.
Detailhandel DFS20: Dubach Bruno, Wittwer Sport, Zweisimmen; Shabani Arijana, Schuhhaus Romang, Gstaad; Richard Udaya, Schneeberger Sport, Saanen; Reichenbach Celio, Landi, Gstaad; von Siebenthal Anina, Interdiscount, Gstaad; Zbären Destiny, La Boutique, Zweisimmen.

 


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