Vielversprechender Dirigentennachwuchs
16.08.2022 Kultur, Event, VolkswirtschaftZehn Dirigierende der Gstaad Conducting Academy stellten im Festivalzelt in einem Konzert mit dem Titel «Pastorale Idylle-Beethoven 250» ihr Können unter Beweis. Ein tolles Orchester, zwei hervorragende Solistinnen und eine Erstaufführung gestalteten den frühabendlichen Sonntagsanlass äusserst spannend und eindrücklich.
LOTTE BRENNER
Im Mittelpunkt, eingebettet durch zwei reine Beethoven-Darbietungen, stand das Auftragswerk Gstaad Menuhin Festival 2020, in welchem sich der 1953 geborene österreichische Komponist Georg Friedrich Haas mit Beethovens Musik und dessen Persönlichkeit auf eine völlig neue Art befasst. In seiner symphonischen Dichtung für Violine, Kontraforte und Orchester – unter dem Titel «Was mir Beethoven erzählt» – schlüpft er sozusagen in den Tinnitusgeplagten Kopf des Bonner Meisters Ludwig van Beethoven. Haas gelingt es, mit allen Künsten der zeitgenössischen Komposition Beethovens geniale, kämpferische, für seine Zeit avantgardistische Musik mit dem Zeitgeist von heute zu verknüpfen.
Wer sich mit moderner Musik schwer tut, muss sich bei diesem Werk eingestehen, dass die Komposition von Haas absolut zum Sich-hinein-Versenken einlädt. Nebst dem höchst spannenden, auch aufwühlenden Inhalt ist es einfach Musik – Musik, die bereichert, die nachhaltig gut tut. In einem Begleittext beschreibt Haas die Gedankengänge zu den einzelnen Sätzen seiner Komposition. So erlebt das Publikum nachvollziehbar die ganze Geschichte um Beethovens musikalisches Ringen. Und immer wieder erscheinen hintergründig kurze Ausschnitte aus Originalwerken von Meister Beethoven, leicht moduliert, doch klar erkennbar.
Zwei tolle Solistinnen – ein bemerkenswertes Orchester
Mit den beiden Solistinnen Helena Winkelman, Violine, und Lorelei Dowling, Kontraforte, sowie dem Sinfonie Orchester Biel Solothurn wurde das Konzert zu einem wertvollen Musikereignis, das so schnell nicht vergessen wird. Helena Winkelman spielt nicht nur ausgezeichnet Violine – was sie eingehend mit ihrem Solospiel in den beiden Romanzen von Beethoven aufs Eindrücklichste bewies –, sie machte sich auch einen Namen als Komponistin.
Die Kontrafagottistin Lorelei Dowling beherrscht ihr ungewöhnliches Instrument virtuos brillant. Das in der Komposition von Haas eingesetzte Kontraforte ist ein von Benedikt Eppelsheim und Guntram Wolf neu konzipiertes Kontrafagott, das – eine Oktave tiefer als das herkömmliche Fagott – sehr viel andere Möglichkeiten bietet. Das fast 20 Kilo schwere Instrument ist voluminös und weist etliche Windungen auf, die dann in einen Trichter münden. Das ergibt ein neues, anderes Klangbild.
Bemerkenswert ist die Arbeit des vor fünf Jahren gegründeten Sinfonie Orchesters Biel Solothurn, das mit der Gstaad Conducting Academy, mit den beiden Professoren Johannes Schlaefli und Baldur Brönnimann, der sich speziell mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzt, arbeitete, nun das Abschlusskonzert begleitete und damit Wesentliches zum Erfolg dieses Abends beitrug. Das Orchester verfügt vor allem auch auch über sensible Bläser, die in der abschliessenden 6. Sinfonie «Pastorale» von Beethoven, zum Beispiel in der «Szene am Bach», wunderschön zart zum Ausdruck kamen.
Erfolgreicher Academy-Abschluss
Folgende Dirigentinnen und Dirigenten traten am Konzert der Gstaad Conducting Academy auf: Ingunn Korsgärd Hagen, Samy Rachid, Molly Turner, Omer Shteinhart, Daniel Huertas, Laurent Zufferey, Izabelé Jankauskaité, Kyrian Friedenberg, Nathanaël Iselin und Jascha von der Goltz – alle zwischen 23- und 29-jährig. Etliche dieser Namen dürften in der klassischen Musikszene wohl künftig vermehrt erscheinen. Das allgemeine Niveau ist hoch. Einige grosse Talente ragen sowohl künstlerisch als auch von der Kraft des Ausdrucks her heraus, andere klammern sich noch etwas stark an das Gelernte. Mit vermehrten Auftrittsmöglichkeiten werden die Auftritte der jungen Dirigentinnen und Dirigenten laufend freier, gelöster und individueller. Auf jeden Fall kann man sich auf eine Musikzukunft mit ganz tollen Dirigentenpersönlichkeiten freuen.