Pilotprojekt zur Rettung von Schürli

  26.07.2024 Region

Seit etwa einem halben Jahr liegt ein 43-seitiger Bericht zur Beurteilung einer Kulturlandschaft mit traditionellem Charakter in einer typischen Saaner Voralpen-Streusiedlung beim Kanton. Der Bericht ist die Basis für die angestrebte Baureglements- und Zonenänderung. Wird sie bewilligt, wäre dies in Sachen Umnutzung von Schürli von Bedeutung.

KEREM S. MAURER
Seit der Gründung des Vereins Schür.li im Jahr 2016 setzen sich der Vereinspräsident Michi Gehret und seine Mitstreiter für die Umnutzung und den Erhalt von landschaftsprägenden, aber nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Bauten ein. Als grosser Erfolg ihrer Vereinsgeschichte wird das Pilotprojekt «Kulturlandschaft und landschaftsprägende Bauten» bezeichnet. Dabei wird eine Änderung im Baureglement und im Zonenplan angestrebt (wir haben berichtet).

Bund schafft Möglichkeiten...

In der Raumplanungsverordnung (RPV) hat der Bundesrat für Bauten im Streusiedlungsgebiet und für landschaftsprägende Bauten besondere Umnutzungsbestimmungen erlassen. Mittels zwei Formularen (Massnahmenblatt A 02 für erweiterte Nutzungsmöglichkeiten im Streusiedlungsgebiet und Massnahmenblatt D 01 für landschaftsprägende Bauten) wurden im Streusiedlungsgebiet Voraussetzungen für Umnutzungsmöglichkeiten geschaffen. Der Kanton setzt jedoch für die Umnutzung landschaftsprägender Bauten eine Planung auf Gemeindestufe voraus. Damit diese Bauten in entsprechenden Gebieten umgenutzt werden können, müssen sie zusammen mit der Kulturlandschaft, in der sie stehen, in der kommunalen Nutzungsplanung unter Schutz gestellt werden. Von diesen beiden neuen Möglichkeiten im kantonalen Richtplan möchte die Gemeinde Saanen zusammen mit dem Verein Schür.li Gebrauch machen. Die Gemeinde habe es sich zum Ziel gesetzt, «die Kulturlandschaft und die landschaftsprägenden Bauten aus einer gesamtheitlichen Sicht über das ganze Gemeindegebiet zu definieren und diese unter Schutz zu stellen, damit sie als Kulturgut langfristig erhalten bleiben», schreibt die Gemeinde Saanen auf Anfrage.

... und provoziert ein Pilotprojekt

Weil die Planung im Zusammenhang mit landschaftsprägenden Bauten im Kanton Bern sowohl für den Kanton als auch für die Gemeinden neu ist, müssen Beschluss- und Bewilligungsfähigkeit eines solchen Vorhabens erst im Rahmen eines Pilotprojekts geprüft werden. Und dieses Pilotprojekt läuft gegenwärtig im Grund. Ist es erfolgreich, soll es auf weitere, noch zu bestimmende Teilgebiete zur Anwendung kommen. «Wir haben schon viel Arbeit in dieses Pilotprojekt investiert. Seit über einem halben Jahr liegt es nun beim Kanton, damit er die vorgesehene Nutzungsplanung bewilligt», erklärt Michi Gehret auf Anfrage.


ZEITPLAN

Das Pilotprojekt liegt seit November 2023 für die Vorprüfung beim Amt für Gemeinden und Raumordnung.
Anschliessend erfolgen Bereinigung und Beschluss durch die Bau- und Planungskommission des Gemeinderats, worauf die öffentliche Auflage erfolgt. Danach gibt es eventuelle Einspracheverhandlungen bevor die Beschlussfassung durch die Gemeindeversammlung ansteht. Letztlich muss das Projekt vom Amt für Gemeinden und Raumordnung genehmigt werden.


«Städter würden sich drum reissen!»

Michi Gehret erklärt im Interview, weshalb dies für alle ein wichtiges Anliegen sein sollte und zeigt auf, wie Landwirte ein Zusatzeinkommen generieren könnten.

KEREM S. MAURER

Was soll genau mit diesem Pilotprojekt im Grund bewirkt werden?

Das Landschaftsbild, so wie wir es im Saanenland haben und wie es im Versuchsparameter im Grund sehr schön abgebildet wird, soll genauso erhalten bleiben. Mit allen Gebäuden drauf, den Wohnhäusern, Ställen und Schürli. Vielleicht müssten unschöne Anbauten wieder zurückgebaut werden, sodass der Originalzustand erhalten bleiben kann.

Warum ist Ihnen das so wichtig?

Das ist für mich eine Frage der Ästhetik. Wir leben in einer der schönsten Regionen der Welt und da gehört eben die ganze Landschaft dazu. Schauen Sie sich um, wenn die Schürli nicht mehr da wären, würde etwas in der Landschaft fehlen.

Und wem würde dies auffallen?

Es stimmt schon, mit der Zeit verschwinden die Schürli und irgendwann vermisst sie vielleicht niemand mehr. Das wäre sehr schade, denn vom heutigen Landschaftsbild profitiert der Tourismus, von dem wir letztlich alle leben. Deshalb ist der Erhalt dieser Landschaft so wichtig.

Sie sprechen davon, dass Schürli umgenutzt, aber nicht verändert werden sollen, um das Landschaftsbild zu erhalten. Wie sollen die Schürli denn genutzt werden?

Schürli haben einen geräumigen Innenraum und meist ein grosses Tor an der Rückseite. Man könnte ein Zelt hineinstellen, Solarpanels aufs Dach montieren und schon könnte man es als Airbnb vermieten. Die Gäste kommen mit dem Zug nach Gstaad, wandern zum Schürli, verbringen eine wunderbar entschleunigte, romantische Zeit und gehen dann zurück in den Alltag. Städter würden sich drum reissen und der Bauer hätte ein Zusatzeinkommen.

Würde dies erlaubt, gäbe es vielleicht plötzlich ein grosses Interesse an den Schürli...

Deshalb muss unbedingt darauf geachtet werden, dass sie nicht verkauft werden oder dann in einheimischen Händen bleiben. Da ist es ein Glück, dass sie in der Landwirtschaftszone liegen und nicht veräussert werden dürfen.


PILOTPROJEKT IM GRUND

Das Pilotprojekt betrifft den Ortsteil Grund bei Gstaad. Auf der in Fliessrichtung linken Seite der Saane findet sich am ostwärts ausgerichteten Hangfuss des Staldehores eine Kulturlandschaft, deren traditioneller Charakter weitgehend erhalten ist. Sie erstreckt sich von der Talsohle auf circa 1000 Meter über Meer bis zu den Vorschessen auf dem Vorder Läger auf rund 1400 Metern. Das Temporärsiedlungsgebiet innerhalb des Perimeters wird als nutzungsempfindliches Gebiet bezeichnet (soll gepflegt, erhalten und vor Störungen geschützt werden) und befindet sich vollständig in der Landwirtschaftszone, respektive im Wald.

Die im Zonenplan festzulegende, schützenswerte Kulturlandschaft erstreckt sich über eine Fläche von rund 117ha. Von insgesamt 67 Bauten sollen mit der Ergänzung der kommunalen Grundordnung 43 als landschaftsprägend bezeichnet und unter Schutz gestellt werden. Für diese sollen die kommunalen Voraussetzungen für erweiterte Umnutzungsmöglichkeiten (Massnahmenblatt D 02 des kantonalen Richtplans) geschaffen werden.

Quelle: Mitwirkung Erläuterungsbericht/kma

 


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