Gedanken einer Hundertjährigen

  07.11.2023 Leserbriefe

Mir ist, als sässe ich auf dem zehnten Wegstein an einem belebten Weg. In meinen Gedanken gehen sie vorbei, die Aellens, die Bachs, die Verdis und Reichenbachs, gebückt die einen, aufrecht andere. Da kommen auch meine Vorfahren, die Schmolzis und Zingres. Menschen, die wie ich die Gnade bekamen, im Saanenland zur Welt zu kommen.

Zu ihnen gehört meine Urahne, die zum Frühstück «gschwellte Härdäpfel» vom Abend auf einem Blech im Wasser auf dem «Chunscht» wärmte, ass und die Mahlzeit mit den Worten beendete: «Jetz hei wer wider herrlich zmorgnet: Gott sei gedankt!»

Und da waren die Eltern, die sich bemühten, ihre Kinder für das spätere Leben vorzubereiten.

Wo sind jene, die wegen Armut auswandern mussten? Steht da kürzlich ein Gemeindebeamter mit einem Amerikaner im Essraum, der auf «Spurensuche in seiner Heimat» sei. Auf ein Kärtchen schrieb er: «Tim Schmolzi» und auf dem Oberarm war das Familienwappen. – Ein Verwandter erzählte mir: «Hättest sein Gesicht sehen sollen, wie er strahlte, als er in eine Rolle Hobelkäse biss und beim Abschied mit bewegten Worten sagte: ‹Heute bin ich heimgekommen!›»

Auch in fernen Ländern tragen offenbar Menschen ein Bild des Saanenlandes aus Erzählungen in sich. Danke allen, die dafür gesorgt haben, dass auch diese «ihre Heimat» noch so vorfinden, wie sie vor Menschengedenken geschildert wurde.

BERTHA SCHLAEPFER ZINGRE

Bertha Schläpfer Zingre wird am kommenden Donnerstag, 9. November 100 Jahre alt.


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