Eines Tages bei den ganz Grossen mitmischen
01.09.2022 Sport, Sport, Serie, Schule, Ski, FeutersoeyCarla Walker ist eine junge Nachwuchsskirennfahrerin, die seit vergangener Saison den Sprung ins BOSV-Kader geschafft hat. Ihr Ziel: In die Weltcupklasse aufsteigen. Eine Begegnung mit einer offenen, ehrlichen und auch ehrgeizigen jungen Frau, die nicht so schnell aufgibt.
JOCELYNE PAGE
«In meinem Kopf schwirrt viel herum. Es sind oft surreale Träume. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich es wirklich schaffen.» Carla Walker ist eine junge, athletische Frau, die weiss, was sie will. Auf dem Balkon ihres Elternhauses in Feutersoey sitzend, beobachtet sie genau, was ihr Gegenüber macht, hört aufmerksam zu und beantwortet Fragen behutsam, nicht übereilt. Denken bevor sprechen ist offensichtlich eine Tugend, der sie sich verschrieben hat.
Wenn die 15-jährige Schülerin also sagt, dass sie es «wirklich schaffen will», kauft man ihr das auch ab. Sie wirkt ehrgeizig, offen und ehrlich. Charaktereigenschaften, die bestimmt von Vorteil sind auf dem Weg zu ihrem Ziel: eines Tages im Skiweltcup mitmischen.
Vergangenen Winter hat sie den Sprung in das BOSV-Kader (Berner Oberländischer Skiverband) geschafft. Im Winter trainiert sie fünfmal in der Woche auf der Piste; im Sommer steht neben Trainingslagern auf dem Zermatter Gletscher besonders Konditionstraining an. Auf die Frage, ob sie eher die Technikerin oder die Speedliebhaberin ist, antwortet sie: «Eigentlich beides.» «Eigentlich», weil sie bisher gute Erfolgserlebnisse in der Disziplin Slalom hatte. Als sie aber vergangenen Winter zum zweiten Mal einen Teil der Lauberhornabfahrt als Super-G fahren durfte, ging ihr das Herz auf. «Ich brauchte zwar mehr Überwindung als beim ersten Rennen, weil ich wusste, was auf mich zukommt. Aber es hat trotzdem Spass gemacht.»
Nicht nur privat setzt sie alles auf die Skizirkuskarte, sondern auch beruflich hat sie einen Masterplan. Nach den Sommerferien wird sie das zehnte Schuljahr in Château-d’Oex absolvieren – ein Welschjahr in der Nähe, damit sie weiterhin an den Trainings teilnehmen kann. Danach will sie eine KV-Lehre beginnen. «Ich kann die dreijährige Ausbildung auf vier Jahre verlängern, damit ich mich auf den Leistungssport konzentrieren kann.»
Den Ausgleich zum schweisstreibenden und ausdauernden Training findet Carla unter anderem bei ihren Freunden. Mehrmals während des Gesprächs kommt sie auf ihre Freundschaften zurück. Ihre Körpersprache verändert sich: Wenn sie über das Skifahren spricht, ist die leidenschaftliche Ernsthaftigkeit spürbar – nicht verbissen, jedoch fokussiert. Redet sie aber über ihre Freunde, fängt sie an zu schmunzeln, lachen und plaudern. «Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen. Es ist mir auch sehr wichtig, stets für sie da zu sein. Ich kümmere mich gerne um sie.» Neben all den Trainings, Schule und Treffen mit Freunden hat Carla noch ein weiteres Steckenpferd: die Liebe zur Musik. Als Teil einer musikalischen Familie – die Mutter ist Klarinettenund Saxofonlehrerin, der Vater ist Mitglied der Familienkapelle Walker, die zwei Schwestern und der Bruder spielen ebenfalls ein Instrument – hat auch sie das Fieber vor sieben Jahren gepackt. Ihre Wahl fiel auf die klassische Gitarre. «Am liebsten spiele ich Stücke von Mauro Giuliani», erzählt Carla.
Das Leben der jungen Saanenländerin klingt aufregend, aber auch programmintensiv. Um nicht aus der Balance zu fallen, nimmt sich Carla gerne Zeit für sich. «Ich bin gerne einen ganzen Tag lang alleine zu Hause, schaue ein bisschen fern, räume mein Zimmer auf oder lege mich einfach mal hin, ohne gross über etwas nachzudenken. Ich geniesse diese Momente.» In sich kehren, auf sich selbst konzentrieren und sich auch mal eine Auszeit gönnen: Dies ist Wellness für Carlas Seele.
Wovon träumen die jungen Menschen im Saanenland und wie gestalten sie ihr Leben? Die Serie «Jung und …?» gibt ihnen eine Stimme. Die Porträtierten wählen selbst, wer als Nächstes in diesem Format erscheint. Carla Walker würde sich über ein Porträt von Livio von Siebenthal freuen.
ZUR PERSON
Carla Walker ist 15 Jahre alt und lebt in Feutersoey mit ihren zwei Schwestern, ihrem Bruder und ihren Eltern. Diesen Sommer hat sie die obligatorische Schule beendet und wird ab dem neuen Semester ihr zehntes Schuljahr in Château-d’Oex absolvieren. Die Skirennfahrerin trainiert ab dieser Saison mit dem BOSV-Kader.