Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul

  26.04.2022 Leserbriefe

Getreu obigem Motto wären ein wenig mehr Ehrlichkeit und Transparenz seitens eines Inserenten oder der mit ihm verbandelten Lokalzeitung angebracht. Betrachten wir das Fondue, das alle Abonnenten des «Anzeigers von Saanen» vor einigen Wochen erhalten haben, als das, wie es beschrieben worden ist: als «Geschenk» für die Leserschaft. Bezahlt wurde das Fondue offenbar von den Produzenten oder von der Molkerei, weil diese auf einigen hundert Kilo Käse sitzen geblieben war. Ich vermute, dass das Inserat von Gstaad Saanenland Tourismus (d.h. vom Steuerzahler) bezahlt worden ist, sofern die benötigte Insertionsfläche nicht vom Verlag offeriert worden ist.

Im Beipackzettel des Geschenks wird erwähnt, dass man mit einem finanziellen Beitrag für das Geschenk etwas gegen die Entvölkerung der Talschaft tun könnte. Dies wäre auch möglich, wenn die beiden durchaus umtriebigen Initianten der Idee selbst im Abländschen wohnen würden, um dort zum Beispiel selber und persönlich glückliche Gäste zu begrüssen. Ein weiterer Vorteil der Wohnsitznahme: Die Initianten könnten ihre Gäste selber fragen, ob sie glücklich sind oder ob primär sie als Gastgeber glücklich werden, weil es wichtig ist, dass der imaginäre Rubel (!) rollt. Anständige Gäste – auch wenn sie für ihre Ferien bezahlen – werden sich hüten, Schlechtes über die Gastgeber zu sagen. Sie kommen einfach nicht mehr und dann muss eine neue Marketingaktion her.

Geneigten Lesern kam das Fondue vermutlich wie das berühmte Trojanische Pferd vor. Dieser geschenkte Gaul ist allerdings ein wenig harmloser, weil man bei dessen Zubereitung und Verzehr vermutlich nicht wie die Stadt Troja (in der heutigen Türkei) angegriffen oder gar erobert wird.

Zu guter Letzt könnte man die Initianten bitten, den Erfolg des gewählten Geschäftsmodells im «Anzeiger von Saanen» wirklich transparent zu publizieren: wenn alle vermutlich rund 5000 AvS-Abonnenten 20 Franken überweisen würden, müssten immerhin geschätzt 100’000 Franken in die Kasse des Prospectus Mons geflossen sein. Mit Angaben von einzelnen Überweisungen in der Höhe von 5 bis 700 Franken – wie viel von jeder Sorte? – kommen mindestens 705 Franken zusammen. Wie viel war es wirklich? Wer bezahlte die Differenz?

Fazit: mit wessen Risikokapital die Fondue-Aktion laut Aussage der Initianten aufging, weiss kein Leser. Dieser darf sich vielleicht auf die nächste Überraschung ähnlicher Art freuen, obwohl der Datenschutz auch ein wenig strapaziert worden ist.

MARTIN GÖPPERT, SAANEN


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote