«Die Organisation des Destinationsmarketings ist nun schlanker, die Entscheidungswege kürzer»

  29.09.2022 Interview, Interview, Volkswirtschaft, Tourismus, Saanenland, Destination

Seit diesem Jahr ist das Destinationsmarketing neu in die Organisation von Gstaad Saanenland Tourismus (GST) integriert. Wie wird die Region nun vermarktet? Wer steckt neu hinter dem öffentlichen Auftritt und den Werbekampagnen? Und wieso kann GST Letztere vorerst nicht produzieren? Geschäftsführer Flurin Riedi und Ariane Ludwig, Leiterin Marketing und Verkauf, stehen Rede und Antwort.

JOCELYNE PAGE

Das Marketing für die Destination Gstaad ist nun Teil von Gstaad Saanenland Tourismus (GST). Wie sieht die Organisation aus?
Flurin Riedi (FR):
Gstaad Saanenland Tourismus führt das Marketing wieder als eigene Abteilung und ist somit auch operativ für die Umsetzung des Destinationsmarketings zuständig. Sie beinhaltet rund 800 Stellenprozente. Die Organisation ist nun schlanker und insbesondere die Entscheidungswege kürzer.
Ariane Ludwig (AL): Dadurch sind auch die Kommunikationswege zwischen uns und den Partnern, aber auch intern zwischen den verschiedenen Bereichen kürzer. Die Struktur ist an die heutigen Anforderungen angepasst, die für ein schlagkräftiges Destinationsmarketing erforderlich sind. Doppelspurigkeit wird somit vermieden.

Welche Aufgaben nimmt die Marketingabteilung war?
AL:
Wir sorgen mit verschiedenen Massnahmen, dass unsere Destination im geforderten Umfang auf der touristischen Landkarte präsent ist. Dazu gehören verschiedene Offline- und Online-Marketingaktivitäten wie die Realisation von klassischer Plakatwerbung und Broschüren, aber auch die Pflege der verschiedenen Social-Media-Kanäle und der Website.
FR: Zudem haben wir den Bereich MICE (Meetings Incentives Conventions Exhibitions) ins Marketing eingegliedert. Dieser beinhaltet neben der Organisation von punktuellen Events – wie den vergangenen Schweizer Wandergipfel oder die Switzerland Travel Mart Luxury Edition – auch die Zusammenarbeit mit den Topevents oder die Umsetzung von «Gstaad on Tour» (Gondeln), um nur ein paar Aufgaben zu nennen. Des Weiteren kümmert sich die Marketingabteilung um Medienreisen und betreut die Journalistinnen und Journalisten.
AL: Am Ende ist das Marketing und die Kommunikation ein Zusammenspiel aus allen Bereichen, beispielsweise der Destinationsentwicklung mit dem Produktmanagement, aber auch der Abteilungen Infrastrukturen und Guest Relations. Diese touristischen Angebote und Dienstleistungen müssen vermarktet und an die Gäste gebracht werden, denn jede Destination buhlt um sie.

Die Gstaad Marketing GmbH hat sich auch um das Marketing der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) gekümmert. Wie sieht es heute aus?
FR:
Die BDG hat eine eigene Marketingverantwortliche. Für die Ausführung – beispielsweise die Anpassungen der Website – wendet sich die BDG vorzugsweise an uns. Dies ist in einem Leistungsvertrag vereinbart.

Und es besteht ein gutes Einvernehmen?
AL:
Ja, wir arbeiten sehr eng mit der BDG zusammen und auch der Austausch ist rege. Es gibt sehr viele Schnittstellen in unseren Aktivitäten, bei denen wir zusammenarbeiten und die über das Marketing hinausgehen.
FR: Beim Strukturwechsel haben wir uns gegenseitig das Versprechen abgenommen, auch zukünftig das Destinationsmarketing gemeinsam zu realisieren. Ich denke, die Zusammenarbeit funktioniert deshalb so gut, weil wir alle die gleiche Sprache sprechen, das gleiche Ziel verfolgen und die gleichen Werte teilen. Zudem haben wir unsere Hausaufgaben auch auf strategischer Ebene gemacht und beispielsweise Matthias Matti, Verwaltungsratsvizepräsident der Bergbahnen, in unseren Vorstand geholt.

Wer entscheidet, welche Marketingstrategien eingeschlagen werden?
FR:
Zuerst einmal orientieren wir uns an der Destinationsstrategie, in der wir die Märkte, die Zielgruppen und die Produkte definieren. Darin auch enthalten ist die Marketingstrategie, die wiederum die Richtung vorgibt für Kampagnen, Aktivitäten und Massnahmepläne. An diesem Punkt kommt der Marketingbeirat ins Spiel. Dieser ist bewusst so zusammengesetzt, damit das gesamte touristische Spektrum abgebildet werden kann: Vertreter der Hotellerie aus dem Drei-, Vier- und Fünf-Sterne-Segment, der Landwirtschaft, der Topevents, der Bergbahnen und des Gewerbes.
AL: Übergeordnetes Ziel ist es, dass Gstaad Saanenland Tourismus nicht etwas im stillen Kämmerchen produziert, sondern dass alle Marketingaktivitäten gemeinsam besprochen und ausgearbeitet werden, damit alle Interessen vertreten sind. Am Ende setzen wir in der Marketingabteilung das Beschlossene als Dienstleister um und betreuen fortlaufend das Destinationsmarketing.

In welcher Regelmässigkeit trifft sich dieser Marketingbeirat?
AL:
Mindestens zweimal jährlich – bei Bedarf auch öfters.

Wie gross ist das Budget für die Marketingabteilung?
FR:
Zuvor hatten wir eine eigene Unternehmung für das Marketing, eine eigene Geschäftsführung und eine eigene Administration. Nun ist die Abteilung bei uns eingegliedert, weshalb wir einige Kosten einsparen können. Wir rechnen mit einem jährlichen Gesamtbudget von 2,5 Millionen Franken inklusive Personalaufwand und Kampagnen. Letztere machen einen Betrag von rund 1,3 Million Franken aus.

Wie wird denn diese Abteilung finanziert?
FR:
Wir haben rund eine Million Franken über Einnahmen aus TFA (Tourismusförderungsabgabe) und BA (Beherbergungsabgabe) für das Destinationsmarketing zur Verfügung. Jedoch reichen diese Beiträge nicht aus, um Kampagnen im nötigen Umfang zu realisieren, weshalb wir zusätzlich auf öffentliche Gelder angewiesen sind, um unseren Leistungsauftrag wahrnehmen zu können. Deshalb wollen wir Ende Jahr oder Anfang 2023 beim Stimmvolk der vier Gemeinden Saanen, Lauenen, Gsteig und Zweisimmen einen Gesamtbeitrag von rund 1,2 Million Franken beantragen. Weil entsprechende Beiträge der Gemeinden im vergangenen Frühling abgelehnt wurden, fehlten uns die finanziellen Mittel, um im aktuellen Jahr eine Sommerund Winterkampagne zu planen und umzusetzen. Sollten auch künftig keine Kampagnen realisiert werden können, wäre dies fatal für unsere Destination.

Inwiefern?
FR:
Es ist absolut zwingend, dass wir künftig wieder Kampagnen realisieren, damit Gstaad nicht von der touristischen Landkarte verschwindet. Um mit den Topdestinationen mithalten zu können, müssen wir uns als Destination national und international vermarkten und dazu braucht es ein starkes Kampagnenmarketing.
AL: Wir haben eine Verpflichtung gegenüber unseren Leistungsträgern wie den Bergbahnen, der Hotellerie, der Gastronomie und dem Gewerbe. Wir müssen den Gästen mittels Vermarktung unsere Destination schmackhaft machen, damit sie ihre Ferien hier verbringen. Am Ende generieren wir damit für die gesamte Region eine Wertschöpfung. Dies ist unser Ziel.
FR: Ich möchte anfügen, dass die Realisierung von Kampagnen oder der Aufbau einer Website immer genau gleich viel kostet, egal, ob wir eine oder drei Millionen Logiernächte verbuchen. Hier zeigt sich die Herausforderung.

Was waren beziehungsweise sind die Ziele der Marketingabteilung, seit diese neu geschaffen wurde?
AL:
Zuerst haben wir sichergestellt, dass das Tagesgeschäft gewährleistet ist, dies mit bestehenden Mitteln: Website, Plakate, Social Media und weitere Kommunikationsmittel. Die Leistungsträger und die Gäste sollten jederzeit die optimale Betreuung erhalten. Danach folgte der Aufbau des Teams, welches wir Stand heute zu 95 Prozent zusammen haben – zu einem grossen Teil mit einheimischen Fachkräften. Nun sind wir daran, die Standards und die Abläufe auszuarbeiten und zu festigen, um in einem nächsten Schritt neben den anderen Marketingaktivitäten auch gezielte Kampagnen zu kreieren.

Haben Sie bestimmte Verpflichtungen oder Leitplanken, an die Sie sich halten müssen, beispielsweise von den Gemeinden aus?
FR:
Grundsätzlich unterstehen wir dem kantonalen Tourismusgesetz, dem TFAund Kurtaxen-Reglement und den Statuten von Gstaad Saanenland Tourismus. Darin ist klar definiert, für was wir die Gelder einsetzen dürfen. Zudem sind wir vom Kanton Bern aus die anerkannte Tourismusorganisation, die sich als Destinationsmanagementorganisation (DMO) um die Region Saanen-Gsteig-Lauenen-Zweisimmen kümmert. Ziel ist es, in Zusammenhang mit den nötigen öffentlichen Mitteln entsprechende Leistungsvereinbarungen abzuschliessen.

Welchen weiteren Herausforderungen neben den finanziellen Mitteln begegnen Sie?
FR:
Es sind Herausforderungen, denen zurzeit alle begegnen: der Ukraine-Krieg, die noch nicht überwundene Coronapandemie, der starke Franken, die Inflation, die Energiekrise und der Klimawandel. In den letzten Jahrzehnten gab es nie eine Zeit, in denen wir so vielen und komplexen Herausforderungen gleichzeitig begegnet sind. Deshalb sind die neuen schlanken Strukturen genau das Richtige: Wir müssen flexibel bleiben und in einem Notfall schnell reagieren können.

Marketing vermarktet stets etwas. Was ist es im Saanenland? Was macht die Destination Gstaad eigentlich aus?
AL:
Während und nach der Pandemie haben die Gäste das gesucht, was wir bieten: das Echte, das Naturnahe, das Authentische. Wir sind eine unglaublich vielseitige Destination, die Bike- und Wanderwege, ein umfangreiches und attraktives Skiprodukt, Landwirtschaft, Natur und umfangreiches Kulturgut zu bieten hat. Wer zum ersten Mal zu uns kommt, wird schnell realisieren, dass wir nicht nur aus der Gstaader Promenade und Luxusläden bestehen. Und dies geht nur im Zusammenspiel mit den Einheimischen und den Leistungsträgern.
FR: Genau. Unsere Destination ist wohl diejenige mit dem grössten Potenzial, in naher Zukunft einen starken Sommerund Wintertourismus gewährleisten zu können.

Und wieso?
FR:
Wir haben zum einen sehr aktive und innovative Leistungsträger. Zum anderen herrscht innerhalb der Region ein Bewusstsein, dass der Tourismus einen hohen Stellenwert hat, aber dennoch nicht alles ist. Ich kenne keine Region, in der es so viele Landwirte gibt, die das Jahr über auf dem Bauernhof arbeiten und im Winter zusätzlich als Skilehrer unterwegs sind. In Zukunft müssen wir diese gesunde Balance beibehalten und das Bewusstsein haben, dass die Strategie nicht einfach «mehr, mehr, mehr» heissen kann. Denn am Ende wollen wir einen qualitativen, nachhaltigen und naturnahen Tourismus, keinen Massentourismus.


DAS SAGEN DIE BERGBAHNEN ZUR NEUEN ORGANISATION

Der Entscheid des Souveräns letzten Winter habe Konsequenzen betreffend Marketingorganisation mit sich gezogen, sagt Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG). Indem Gstaad Saanenland Tourismus (GST) das Marketing wieder bei sich eingegliedert habe, sei der BDG und den anderen Akteuren versprochen worden, dass der Werbefranken besser eingesetzt und die Vermarktung effizienter werde. «Die Marketingabteilung befindet sich zurzeit in der Aufbauphase. Wir werden die Effizienz und Effektivität der neuen Organisation beobachten und diese auch einfordern. Wir werden uns aktiv einbringen und unseren Teil pflichtbewusst leisten», sagt In-Albon. So habe sich die BDG dem Ausbau der Erlebnisse im Winter und Sommer verschrieben und werde dies auch vorantreiben. Zukünftig werden GST und BDG die Marketingkampagnen zusammen planen und einvernehmlich lancieren. Um das Produktmarketing «Berg» muss sich die BDG neu selbst kümmern und erhält – wie es vor der gemeinsamen Marketingorganisation vor sechs Jahren der Fall war – für ihre Aufwände im Bereich Bergvermarktung einen Beitrag aus dem Topf der Tourismusförderungsabgabe, wie In-Albon angibt.

Das Marketing bei der BDG ist derzeit schlank. Um alle Marketingaktivitäten beziehungsweise Marketingkoordination, welche die BDG betrifft, kümmert sich die BDG-Mitarbeiterin Sarah Göschel.

Die Vermarktung der Destination sei essenziell, um nicht von der Bildfläche zu verschwinden, sagt In-Albon. «Es ist wichtig, Präsenz zu markieren und zwar kontinuierlich. Deshalb müssen wir wieder Kampagnen realisieren.» Es brauche immer eine gewisse Zeit bis zur Messbarkeit, ob die eingeschlagenen Marketingmassnahmen erfolgreich waren. «Dies ist die Schwierigkeit und Herausforderung eines guten Marketings.» JOCELYNE PAGE


NACHGEFRAGT BEI DER GEMEINDE SAANEN: INWIEFERN SIND DIE GEMEINDEN INVOLVIERT?

Eine der Gemeinden, deren Stimmbevölkerung die Gemeindebeiträge abgelehnt und damit die Veränderung der Marketingstrategie herbeigeführt hat, ist Saanen. Der Gemeinderat habe die neue Organisation zur Kenntnis genommen, sagt Gemeindepräsident Toni von Grünigen auf Anfrage. Wichtig sei, dass weiterhin Marketing betrieben werde, «denn ohne geht es nicht». Zwischen Gstaad Saanenland Tourismus und der Gemeinde habe es ein erstes Treffen gegeben, um über die Zukunft des Marketings und der Unterstützung von öffentlichen Geldern zu sprechen. «Wir haben unsere Ansichten und Überlegungen über die Zukunft mitgeteilt und sie uns ihre.» Die Vertreter des Gemeinderats haben GST darauf aufmerksam gemacht, dass sie einen Antrag mit einem gleich hohen Unterstützungsbeitrag wie bei der letzten Abstimmung nicht unterstützen würden; damals lag dieser bei insgesamt 1,16 Millionen Franken (1 Millionen Franken wie bisher plus 160’000 Franken für Herbstpush). «Der neue Antrag muss unter dem bisherigen Betrag von einer Million Franken liegen, da mit der Integration der Marketingaktivitäten in den GST entsprechend Synergien genutzt werden können», so von Grünigen. Sollte es zur Abstimmung kommen und die Gelder gesprochen werden, verlange der Gemeinderat klare Rückmeldungen über die Marketingaktivitäten und die dafür eingesetzten Ausgaben, wie der Gemeindepräsident erklärt. «Zudem ist Gemeinderat Nathanael Perreten Mitglied der Geschäftsprüfungskommission vom GST.»

JOCELYNE PAGE

 

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote