«Wo Männer schwanken, müssen Frauen handeln!»
06.08.2024 KulturDie ausverkaufte Premiere des Freilichttheaters «Der Chrüzwäg vom Castellan» – bei gutem Wetter am Samstagabend – darf als grosser Erfolg gewertet werden. Das OK, die Schauspielenden und die Regie sind sehr zufrieden. Alle Aufführungen bis Mitte August sind ausverkauft.
KEREM S. MAURER
«Diese Premiere ist die Krönung der Jubiläen unserer Anlässe anlässlich unserer Jubiläen!» Mit diesem kreativen Wortspiel leiteten die Präsidenten des Männerchors «Echo vom Olden», Armin Oehrli, und der Sektion Oldenhorn des Schweizer Alpen-Clubs, André Oehrli, die Premiere des Freilichttheaters «Der Chrüzwäg vom Castellan» ein. Sie verwiesen damit auf die grossen Jubiläen, welche die Vereine im Jahr 2020 feierten (wir haben berichtet). Eines kleinen Virus’ wegen musste die Krönung dieser Jubiläumsfeierlichkeiten bis auf den letzten Samstag verschoben werden. «Jetzt sind wir froh, dass wir nach sechs Jahren der Vorbereitung endlich aufführen dürfen», sagte André Oehrli erleichtert.
Sympathischer Texthänger
«Die Premiere war ausverkauft», sagt Blanca Burri, Mediensprecherin im Organisationskomitee des Freilichttheaters, auf Anfrage erfreut und ergänzt: «Bis Mitte August sind alle Aufführungen ausverkauft.» Vieles habe am ersten Aufführungsabend gut zusammengespielt. Die Leute seien bereits kurz nach der Öffnung des Geländes eingetroffen, hätten sich im Beizli verpflegt und anschliessend «unaufgeregt und diszipliniert» ihre Plätze auf der Tribüne eingenommen. Dies habe sehr viel Ruhe eingebracht. Die Premiere sei sehr gut verlaufen – bis auf einen kleinen Texthänger.
Einen Augenblick lang herrschte mitten in einem Dialog absolute Ruhe auf dem Gelände. Dann versuchten die umstehenden Schauspielenden, ihrem Kollegen aus der Patsche zu helfen, doch schliesslich war das Einflüstern der Souffleuse nötig – Theater, wie es leibt und lebt! Danach lief alles wie am Schnürchen. Diese Situation war weder peinlich noch unglücklich, sondern sie offenbarte auf sympathische Art, dass Menschen auf der Freilichtbühne ihr Bestes geben, nervös sind und menschliche Fehler machen. Etwas, das in der zunehmend digitalisierten Welt wohltuend normal herüberkommt und uns daran erinnert, dass wir keine Maschinen sind. «Die Premiere ist im Grossen und Ganzen optimal gelaufen, wir sind sehr zufrieden», bilanziert Blanca Burri.
Szenenapplaus sorgt für Hühnerhautmoment
Für Joelle Matti, die als furchtloses «Käthchen» zum ersten Mal auf einer Freilichtbühne Theater spielte, war die Premiere ein besonderes Erlebnis. «Ich befürchtete, dass man das Publikum nicht so gut spürt wie in einem Theatersaal», sagt sie gegenüber dieser Zeitung. Doch sie habe das Publikum sehr gut gespürt. Für jene Szene, in der sie als «Käthchen» dem «Castellan» (Theo Reichenbach) Untätigkeit vorwarf und sprach: «Wo Männer schwanken, müssen Frauen handeln!», gab es spontanen Szenenapplaus. «Das war für mich ein echter Hühnerhautmoment», sagt Joelle Matti, die auch mit Regie führt. Szenenapplaus gab es auch für andere Szenen, doch wann, sei hier nicht verraten. Auch für Theo Reichenbach war die Premiere bis auf winzige Details ein Erfolg. «Es ist absolut so gelaufen, wie wir es geprobt haben», sagt er.
Wie frei sind wir heute wirklich?
Jojos Monolog am Ende des Stücks darf nicht unerwähnt bleiben. Jojo repräsentiert im Theaterstück das Gewissen und wird von Regisseurin Ruth Domke verkörpert. Mit eingängigen Worten zog sie Parallelen aus dem Stück in die aktuelle Zeit. Sie philosophiert darüber, wie viel sich seit der Castellan-Zeit bis heute tatsächlich geändert hat. Schliesslich fliessen auch heute wieder Unsummen an Steuergeldern und grosse Beträge für den Lastenausgleich an die Obrigkeit nach Bern. Bevor sich das Gewissen spektakulär und im wörtlichen Sinn in Rauch auflösend von der Bühne verabschiedet, fragt es noch: «Wie frei sind wir heute eigentlich wirklich?»