Finanz- und Lastenausgleich 2023: Gemeinde und FDP wehren sich
15.12.2023 SaanenDer Kanton hat das Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich unabhängig prüfen lassen. Parteien und Behörden erhielten die Möglichkeit, über diesen Erfolgsbericht in der Vernehmlassung Stellung zu nehmen. Dies haben die Gemeinde Saanen und die FDP Saanenland getan – und bekunden ihren Unmut darüber, dass Saanen seit 2012 keinen geografisch-topografischen Zuschuss mehr erhält. Die Parteipräsidenten der SVP und GLP pflichten ihnen bei – ausser der von der SP: Er sieht einen Lösungsansatz in der Fusion mit der Gemeinde Zweisimmen.
JOCELYNE PAGE
Er beschäftigt unsere Region stark, sei es im Saaner Gemeinderat oder in der Bevölkerung: der kantonale Finanzund Lastenausgleich. In diesem Jahr zahlt die Gemeinde Saanen 20,134 Millionen Franken als Gebergemeinde in den Finanztopf, aus dem anschliessend diverse Nehmergemeinden Unterstützung erhalten (wir haben berichtet). Die Gemeinde Saanen und die Ortspartei FDP Saanenland haben die Chance wahrgenommen, ihre Sichtweise dem Regierungsrat zu erklären, als dieser die Vernehmlassung über die Erfolgskontrolle des entsprechenden Gesetzes (Filag) eröffnet hat. Es handelt sich dabei um eine unabhängige Überprüfung des Filag, in dessen Bericht ein positives Fazit gezogen wird. «Die zentralen Filag-Mechanismen wurden nicht in Frage gestellt und sind bei einer grossen Mehrheit der Gemeinden gut akzeptiert. Einzelne Kritiken gibt es hinsichtlich der Transparenz des Systems und der Abgeltung der Zentrumslasten», so das Fazit des Berichts. Der letzte Kritikpunkt sorgt besonders in unserer Region für Unmut.
Kanton verweigert Saanen Zuschuss
So hat der Regierungsrat der Gemeinde Saanen den geografisch-topografischen Zuschuss von rund 937’450 Franken verweigert – «wie üblich», schreibt der Gemeinderat in seinem Vernehmlassungsschreiben. Denn bis 2011 haben die Gemeinden Kantonsbeiträge an die Unterhaltskosten ihrer Gemeindestrassen erhalten. Im Rahmen der Gesetzesüberarbeitung gingen diese Beiträge in den geografisch-topografischen Zuschuss über – und seither erhält Saanen dieses Geld nicht mehr, wie die Exekutive erklärt. «Der Kanton Bern hat unserer Gemeinde seit dem Jahr 2012 Zuschüsse von mehr als 10’000’000 Franken vorenthalten», äussert der Gemeinderat sein Missfallen.
Kanton anerkennt Saanens Zentrumsfunktion nicht an
Diese Beiträge sind allerdings nicht komplett gestrichen, sondern sie fliessen immer noch und zwar an sogenannte Zentrumsgemeinden – zu denen Saanen laut Regierungsrat nicht zählt. Das überarbeitete Gesetz des Finanzund Lastenausgleichs sieht vor, dass Zentrumsgemeinden ihre Zentrumslasten beim Kanton zum Abzug bringen können. «Zusätzlich erhalten die Städte Bern, Biel und Thun hohe pauschale Zuschüsse für ihre überdurchschnittlich hohen Zentrumslasten. Eine Kürzung oder Verweigerung dieser Zuschüsse sieht das Filag hier aber eigenartigerweise nicht vor», kritisiert der Saaner Gemeinderat.
Er sei überzeugt, dass auch der Kanton Bern wisse, dass es in jedem Verwaltungskreis eine sogenannte Zentrumsgemeinde gebe. «Als solche gilt die Einwohnergemeinde Saanen zweifellos für den Verwaltungskreis Obersimmental-Saanen. Nur dank der hohen Finanzkraft unserer Gemeinde ist es in unserer Region überhaupt erst möglich, verschiedenste Angebote bereitzustellen.»
Saanen verlangt eine Zentrumsgemeinde pro Verwaltungskreis
Der Saaner Gemeinderat, so schreibt er weiter, würde es als «positives Zeichen» deuten, wenn der Kanton bei der anstehenden Überarbeitung der gesetzlichen Vorschriften die Einwohnergemeinde Saanen als Zentrumsgemeinde aufnehmen würde oder «sogar mindestens je eine Gemeinde für jeden Verwaltungskreis». Und die Exekutive geht noch weiter: «Weiter empfehlen wir, dass das Recht des Regierungsrates auf Kürzung oder Verweigerung des geografisch-topografischen Zuschusses gestrichen wird und der Kanton Bern diese Zuschüsse den berechtigten Gemeinden zukünftig vollständig und vorbehaltlos zukommen lässt.»
FDP bemängeln ungenügende Angaben im Gesetzestext
Auch die FDP Saanenland hat an der Vernehmlassung über den Erfolgsbericht teilgenommen. «Dass Ausgleichszahlungen an finanziell schwächere Gemeinden fliessen, finden wir vernünftig und sinnvoll. Uns ist auch bewusst, dass wir als privilegierte Gemeinde Saanen einen Beitrag an ‹andere Gemeinden› ausrichten müssen», schreibt die Parteisektion. Aber: Auch ihnen ist der verweigerte geografischtopografische Zuschuss an Saanen ein Dorn im Auge. «Als Hauptgemeinde des Verwaltungskreises Obersimmental-Saanenland trägt Saanen für Strassen, Infrastruktur etc. sehr viele Kosten, die einer Zentrumsgemeinde gemäss Art. 13 ff Filag gleichkommen», beurteilt die FDP die Situation. Sie beantragt deshalb, dass dieser Artikel gestrichen wird. Die Parteisektion spricht in ihrem Schreiben zudem den abgewiesenen Vorstoss ihres Parteimitglieds und Grossrats Hans Schär (Schönried) an, der ihrer Meinung nach «unser Anliegen genau auf den Punkt» bringe. «Bei vielen Gesetzen werden die Verpflichtungen durch Formeln und Bedingungen geregelt. Im Finanz- und Lastenausgleichsgesetz wird genau berechnet, wer wie viel bezahlt. Aus unserer Sicht ist keine Bandbreite ersichtlich respektive kein Maximum bestimmt.» Wenn die Ausgleichszahlungen einen sehr hohen Betrag der Nettosteuereinnahmen übersteige, müsste eine Grenze gesetzt werden, so die FDP. «Wir beantragen einen Höchstbetrag – ein Maximum – ins Gesetz aufzunehmen.»
Parteien unterstützen die Forderungen
Auf Anfrage stimmen die Parteipräsidenten der SVP und GLP den Anliegen der Gemeinde und der FDP zu. «Wir von der GLP Sektion Obersimmental-Saanenland sind ganz der Meinung der FDP und unterstützen vollumfänglich deren Mitwirkung zum Finanzausgleich», schreibt Präsident Philippe Marmet. Auch Mario Hählen, Präsident der SVP Saanen, pflichtet den Anliegen bei. Als Parteipräsident unterstütze er den Antrag des Gemeinderates von Saanen. «Die Verweigerung des Kantons, der Gemeinde Saanen den geografisch-topografischen Zuschuss auszubezahlen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Auch Anliegen des Gemeinderats, die Gemeinde Saanen als Zentrumsgemeinde anzuerkennen und die Zentrumslasten zu berücksichtigen, unterstütze ich uneingeschränkt», so Hählen. Es sei aus seiner Sicht zu hoffen, dass bei der Überarbeitung der neuen gesetzlichen Grundlagen der Regierungsrat dem Begehren des Gemeinderates und der Region entgegenkomme.
SP-Präsident teilt Kritik nicht
Anders sieht es der Parteipräsident der SP, Martin Hefti. Wie er schreibt, ist die externe Evaluation durch die Firma Ecoplan AG, die den Erfolgsbericht erfasst hat, zum Schluss gekommen, dass aktuell keine Notwendigkeit bestehe, beim Finanz- und Lastenausgleich grössere Anpassungen oder gar einen Systemumbau vorzunehmen. «Es liegt am System, dass zahlende Gemeinden bemängeln, sie müssen zu viel bezahlen, während Gemeinden, welche Beiträge erhalten, immer glauben, zu kurz zu kommen», schreibt Hefti. Die Gemeinden im Saanenland dürften und sollten stolz sein, in den Filag einzuzahlen. «Es zeigt, dass viele gute Steuerzahler:innen in der Region ihren Wohnsitz haben. Würden die Beiträge pro Einwohner limitiert wie vorgeschlagen, hätte das zur Folge, dass Saanen sich noch weniger für einheimische Familien einsetzt.» Denn zusätzliche in Saanen wohnende Personen würden den Filag-Betrag erhöhen, was am Ende nicht das Ziel wäre, so Hefti.
Gemeindefusion mit Zweisimmen als Lösungsvorschlag
Er vertritt einen anderen Standpunkt: «Der sinnvolle Weg, um die Filag-Zahlungen zu reduzieren, ist eine Gemeindefusion mit Zweisimmen. So würde der Betrag massiv zurückgehen. Profitieren würde unser Nachbar, welcher mit Arbeitnehmenden und bezahlbaren Wohnungen unser aktuelles System aufrechterhält, aber auch unsere amtlichen Werte würden wieder massiv sinken», so der SP-Parteipräsident.
Bereits heute arbeite Saanen und Zweisimmen in vielen Bereichen zusammen, beispielsweise im Tourismus, bei der Feuerwehr, beim Zivilschutz oder im Sozialdienst. Fusioniert könnten die zwei Gemeinden auch Zentrumslasten beim Kanton einfordern. «Statt egoistisch die reiche Gemeinde noch reicher zu machen, lieber solidarisch die Region stärken», so das Fazit von Hefti.
Da es sich bei der Vernehmlassung spezifisch um den Erfolgsbericht des Gesetzes handelt und nicht um das Gesetz selbst, bleibt abzuwarten, ob der Regierungsrat auf die Forderungen der Gemeinde und der Parteien eintreten wird.