«Nur zuschauen ist nie etwas für mich»

  22.02.2022 Sport, Interview, Gstaad

Für Lara Marti hat der Wettkampfcharakter immer zum Schneesport gehört. Nachdem sie mit Skirennen angefangen hatte, entdeckte sie später den Langlaufsport, um schliesslich im Biathlon ihre Leidenschaft zu finden.

JENNY STERCHI

Sie sind in dieser Saison mit einigen Podestplätzen in Erscheinung getreten. Welcher war Ihr grösster Erfolg bisher?
Verschiedene Podestplätze in der Swiss-Biathlon-Cup-Wertung haben mich klar motiviert. Aber diese Saison ist die erste, in der ich Rennen auf verschiedenen Stufen absolvieren kann. Meine ersten Teilnahmen an Alpencuprennen bescherten mir grossartige Erfahrungen. Im italienischen Tesero bin ich in einem Teilnehmerfeld aus allen Alpenländern auf den 17. Rang gelaufen. Das war ein tolles Erlebnis, so weit weg zu sein und so viele neue Leute zu treffen. Mit dem Blick auf die laufende Saison haben die Erfahrungen bei mir beinahe mehr Eindruck hinterlassen als die Resultate. Aber natürlich freue ich mich auch über Podestplatzierungen, ganz klar.

Aber wenn ich es richtig deute, sind Sie derzeit in der Gesamtwertung im Swiss Biathlon Cup Elite ziemlich weit vorne rangiert?
Ja, das ist so, natürlich in meiner Alterskategorie Jugend 1.

Wann standen Sie das erste Mal auf Langlaufski?
In der Vorbereitung unseres Gespräches habe ich das extra noch nachgelesen. Ich war zehn Jahre alt, als ich meine ersten Langlauferfahrungen gemacht habe.

Und war das gleich von Anfang an auf Biathlon ausgerichtet?
Nein, das hat sich erst aus einem Sommerbiathlon, den ich mit meiner Familie besucht habe, ergeben. Eigentlich wollten wir zuschauen, aber nur zuschauen ist nie etwas für mich. Ich konnte damals mit 13 Jahren spontan mitmachen und das Feuer war entfacht.

Kamen Sie vom alpinen Skisport oder waren die Langlaufski Ihr Einstieg in den Schneesport?
Mein Einstieg in den Schneesport hatte ich wie ganz viele Kinder im Saanenland mit dem alpinen Skisport. Ich fuhr Skirennen, liebte es jedoch auch, Snowboard zu fahren. Aber irgendwie suchte ich noch etwas anderes. Im Rahmen des Schulsportangebots lernte ich den Skilanglauf kennen. Ich sah, was Nathalie von Siebenthal in dieser Sportart Grossartiges geleistet hat. Eine Sportlerin von hier kann so viel erreichen, dachte ich fasziniert. Bald mass ich mich mit dem Langlaufnachwuchs in regionalen Rennen. Und mit dem bereits beschriebenen Schlüsselerlebnis kam ich schliesslich beim Biathlon an. Zuerst in der Challenger Kategorie mit Luftgewehr und nun in der Elite-Kategorie mit dem Kleinkalibergewehr. Es ist die Kombination aus den beiden Sportarten Langlauf und Schiessen, die den Reiz für mich ausmacht.

Und sind Sie vielleicht auch «vorbelastet» durch langlaufaktive Eltern?
Nein, ich bin die erste in der Familie, die Biathlon ausgewählt hat und ihn in Richtung Leistungssport ausbaut. Offensichtlich habe ich meine jüngere Schwester Lynn mit meiner Begeisterung angesteckt, denn auch sie hat den Biathlon nun für sich entdeckt.

Wo und wie oft trainieren Sie?
Ich darf während der Wintersaison die Biathlon-Anlage von Swiss-Ski in Les Mosses, die auch über einen Schiessstand verfügt, nutzen. Hier kann ich praktische Trainingseinheiten absolvieren. Sonst sind es nach er Schule kurze intensive Trainingseinheiten wie zum Beispiel im Kraftraum. Die Wochenenden sind meist mit Rennen ausgefüllt. Ich absolviere gerade das zehnte Schuljahr in Château-d’Oex und bin dankbar, dass mir neben dem Mittwochnachmittag eben jetzt in der Saison viel Raum für zusätzliche Trainingszeiten und Renneinsätze gewährt wird.

Haben Sie eine feste Trainingsgruppe, BOSV-Junioren oder so?
Ich trainiere im Moment in einer der BOSV-Trainingsgruppen, die nach Alter strukturiert sind. Im Sommer trainieren wir gemeinsam mit den Langlaufathleten auf den Rollski. In den Trainingslagern arbeiten wir mit dem ZSSV (Zentralschweizer Schneesportverband) zusammen, denn es gibt leider nicht sehr viele Biathletinnen und Biathleten in der Schweiz. So können die Energien gebündelt werden und die Athletinnen und Athleten profitieren von weiteren Austauschmöglichkeiten.

Haben Sie Ihre eigene Waffe?
Jeder Biathlet hat seine eigene Waffe. Als ich mit dem Sport begann, haben wir zunächst durch den BOSV, aber auch Biathlon Kandertal ein Biathlon-Luftgewehr ausgeliehen. Wir habe uns aber dann relativ schnell um eine eigene Waffe bemüht.

Sie sind 16 Jahre alt. Wie schwierig war es für Sie, eine Waffe zu erwerben?
Es ist nicht so einfach. Meine Eltern musste das Gewehr zunächst erwerben, da ich noch nicht volljährig bin. Da ich mit einem Kleinkalibergewehr schiesse, hat man gewisse Gesetze zu beachten.

Und wo kauft man ein solches Biathlon-Gewehr?
Grundsätzlich gibt es ein Anschütz-Biathlon-Gewehr. Jedoch Gewehrschaft und Zielvorrichtung sind auf den Athleten angepasst. Wir wurden in Deutschland, Frankreich und Italien fündig, es war wirklich nicht einfach. Es braucht viel Zeit und Nachfrage bei anderen Athleten und Trainern, damit man zu seiner Ausrüstung kommt.

Wie schwer ist Ihre Waffe?
Ganz genau wiegt sie 4130 Gramm. Die IBU (Internationale Biathlon Union), das Pendant zur FIS bei den Alpin-Athleten, schreibt ein Minimalgewicht von 3,5 Kilogramm vor. Eine zu leichte Waffe ist aber zum Schiessen nicht von Vorteil.

Wie zielt man, wenn man total ausser Atem ist? Kann man die ruhigen Hände und Arme trainieren?
Es ist tatsächlich eine Frage der Atemtechnik. Man kann mit der Atembewegung die Bewegung in Armen und Händen ausgleichen. Bereits 100 Meter vor dem Schiessstand gilt es, das Tempo zu reduzieren. Aber nur in einem gewissen Mass. Die Herzfrequenz sollte nach dem Einrichten der Schiessposition und dem Abgeben der Schüsse, was rund eine halbe Minute in Anspruch nimmt, nicht zu hoch, aber eben auch keinesfalls zu niedrig sein. Sich selber so steuern zu können, ist grosser Bestandteil des Trainings.

Wie motivieren Sie sich nach Fehlschüssen?
Ziel ist es, Fehlschüsse ausblenden zu können. Je mehr Gedanken ich mir über eine stehengelassene Schiessscheibe mache, desto grösser ist das Risiko, weitere Fehlschüsse zu produzieren. Der Biathlon stellt hohe Anforderungen an die mentale Stärke des Athleten. Der Austausch mit Trainern, Athleten und Eltern ist dabei sehr, sehr wichtig.

Ich finde Biathlon einen überaus spannenden Sport, sowohl zum Zuschauen und sicher auch mal zum Ausprobieren. Irgendwann mache ich das noch, nur um mal diese Erfahrung zu machen.
Das höre ich nicht zum ersten Mal. Viele Menschen begegnen mir, die diese doppelte Herausforderung, also zwei Sportarten in einem Bewegungsfluss, mal erleben möchten. Ich glaube, für mich ist es genau dieses Spannungsfeld zwischen läuferischer Ausdauer und Fokussierung beim Schiessen, die meine Begeisterung ausmacht.

Joscha Burkhalter aus Zweisimmen kämpfte gerade in Peking gegen eine unglaublich starke Weltspitze. Ihre Motivation erscheint derzeit riesengross, man spürt das Feuer in Ihnen und Sie sind offensichtlich auch noch nicht saisonmüde. Ist Olympia ein Ziel für Sie?
Ich bewundere jeden Sportler, der sich für Olympische Spiele qualifiziert. Von daher wäre es schon toll, wenn ich irgendwann mal eine Olympionikin wäre. Aber einen Schritt nach dem anderen. Für den Moment arbeite ich daran, mich für die Kandidatengruppe von Swiss-Ski zu empfehlen. Sie ist der Ausgangspunkt für den Zugang in die Trainingskader von Swiss-Ski. In diese Entscheidung werden neben Rennleistung und Trainingsaktivität auch die Einschätzungen der Trainer mit einbezogen. Ich sehe jedes Rennen als Selektionsrennen, in das ich meine ganze Freude an der Sportart einfliessen lassen kann. Für mich macht auch das Training Spass, das ganze Drumherum im Biathlon fasziniert mich anhaltend.


GANZ FRISCH

Lara Marti war am Wochenende in Realp an einem Rennen im Rahmen des Swiss Biathlon Cups unterwegs. Es galt einen Super Sprint zu absolvieren, bei dem fünfmal 1000 Meter gelaufen und viermal geschossen werden musste. Marti dominierte ihren Vorlauf, der nur dreimal 1000 Meter und demnach auch nur zwei Schiesseinlagen vorsah. Mit nur einem Schiessfehler und einer sensationellen Laufzeit schaffte sie sich für den Final beste Voraussetzungen. Auch im Final überzeugte sie und war mit ihren fünf Fehlschüssen am Schiessstand die Beste. Mit ihrer Laufzeit reichte es dann für Rang 2.


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