«Im Saanenland sind 1500 Arbeitsplätze gefährdet»

  22.04.2010 Business, Wirtschaft, Tourismus, Kanton, Saanenland

Im Saanenland formiert sich Widerstand gegen die Abschaffung der Pauschalsteuer. «Wird die Pauschalsteuer abgeschafft, gibt es nur Verlierer und 1500 Arbeitsplätze wären gefährdet», warnt der Gewerbeverein.

 

Der Gewerkschaftsbund des Kantons Bern lanciert eine Initiative «Faire Steuern – Für Familien». Ein Punkt dieser Initiative verlangt die Abschaffung der Pauschalsteuer. Dagegen formiert sich im Saanenland Widerstand. «Wird die Pauschalsteuer abgeschafft, gibt es nur Verlierer», ist der Gewerbeverein überzeugt. Am Dienstag wird an einer öffentlichen Veranstaltung über mögliche Folgen informiert.

«Das Gewerbe macht sich Sorgen. Wird die Pauschalsteuer abgeschafft, sind im Saanenland 1500 Arbeitsplätze gefährdet», betont Hans Wanzenried von der Bauwerk AG. Vor diesem Hintergrund haben sich ein paar Gewerbetreibende formiert und das Thema aufgegriffen. An einem Informationsanlass soll die Bevölkerung über die Pauschalsteuer und die – wirtschaftlichen – Folgen einer Abschaffung informiert werden. «Betroffen sind Arbeitnehmende und Arbeitgebende. Denn bei der Abschaffung der Pauschalsteuer geht es nicht um Steuergerechtigkeit, sondern um Arbeitsplätze», betont Jürg von Allmen, Vorstandsmitglied des Gewerbevereins. Deshalb müsse man gemeinsam gegen die Initiative ankämpfen: «Wir sitzen alle im gleichen Boot.»

«Volkswirtschaftlicher Schaden wäre immens»
Auch für Toni Amonn, Experte für schweizerisches und internationales Steuerrecht und Referent am Informationsanlass, gibt es keine Veranlassung, die Pauschalsteuer abzuschaffen. «Der volkswirtschaftliche Schaden wäre immens», so Amonn. Laut einer vom Verein «Mehrwehrt Schweiz» in Auftrag gegebenen Umfrage setzten pauschal besteuerte Personen auf die ganze Schweiz bezogen 2008 insgesamt 4,5 Milliarden Franken um (Investitionen und Konsum) und generierten 35\\'000 Arbeitsplätze, davon 18\\'000 im Bau- und Baunebengewerbe, 6000 durch Direktanstellung sowie 11\\'500 Arbeitsplätze in Handel/Gewerbe (durch Konsum). «Wohlhabende Ausländer investieren jährlich über 1,5 Milliarden Franken im Berggebiet, und jeder pauschal besteuerte Ausländer schafft im Berner Oberland etwa 10 Arbeitsplätze», so Amonn. Werde die Pauschalsteuer im Kanton Bern abgeschafft, stünden im ganzen Berggebiet etwa 2000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, davon 1500 im Saanenland. «Diese Arbeiter müssten mit ihren Familien wegziehen und sich in der Stadt eine neue Existenz suchen. Die Gewerkschaften und Linken fördern damit die Abwanderung aus dem Berggebiet», betonen die Befürworter der Pauschalsteuer.
Im Kanton Zürich, wo das Stimmvolk im Februar 2009 der Abschaffung der Pauschalsteuer zugestimmt hat, habe rund die Hälfte der Pauschalbesteuerten den Kanton oder das Land bereits verlassen», so Amonn.

Alle Branchen betroffen
Man dürfe die Pauschalbesteuerung nicht nur einseitig aufgrund des Steuerbetrages betrachten, sondern müsse sie ganzheitlich beurteilen, sagt Hanspeter Spychiger. «Die Leute kurbeln ja auch die Wirtschaft an, sie geben Geld aus, haben Angestellte, benutzen und unterstützen Infrastrukturen usw.», erklärt der Gewerbevereinspräsident. Wenn also auch nur ein Teil der im Saanenland ansässigen geschätzten 160 Pauschalbesteuerten den Steuersitz für ihre Liegenschaft verlege, würden alle Branchen darunter leiden. «Es betrifft jeden, die Landwirtschaft, die Skilehrer, die Dienstleistungsbetriebe, den Detailhandel und insbesondere das Baugewerbe. Nicht nur würden massive Investitionen für das Baugewerbe wegfallen, die Leute wären wohl weniger präsent und so gingen der gesamten Volkswirtschaft – vom Detailhandel über Tourismus/Hotellerie bis zu den Hausangestellten, die teils ihre Arbeitsplätze verlieren – wichtige Einnahmequellen verloren», so Spychiger. Nicht nur das Saanenland werde unter den volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu leiden haben, ergänzt Jürg Schwenter. «Wird das Auftragsvolumen kleiner, sind nicht nur Arbeitsplätze im Saanenland gefährdet. Auch Zulieferfirmen aus dem Unterland bekämen die Konsequenzen zu spüren.»

«Auch der Fiskus verliert»
Zu den Verlierern würde auch der Fiskus gehören, ist Wanzenried überzeugt. «Wenn weniger Geld ausgegeben wird, gehen die Erträge der betroffenen Firmen zurück, was sich auf die Steuereinnahmen auswirkt. Und die Arbeitslosen belasten die Staatskasse.» Von der Pauschalsteuer profitiere nicht nur die Gemeinde Saanen, sondern ebenso Bund und Kanton sowie via Lastenausgleich, in den von der Gemeinde Saanen dank gesundem Finanzhaushalt ein grosser Betrag fliesst, auch finanziell schwächere Gemeinden.

Kantonsparlament gegen Abschaffung der Pauschalsteuer
In der Frühlingssession im Grossen Rat wurde die Abschaffung der Pauschalsteuer mit 90 gegen 63 Stimmen abgelehnt. Worauf der Gewerkschaftsbund des Kantons Bern entschieden hat, eine Initiative zu lancieren. «Die Gewerkschaften und speziell die Unia verraten die Arbeitnehmer im Berner Oberland», ärgert sich Toni Amonn. Mitinitiant und Co-Präsident des Initiativkomitees der Initiative «Faire Steuern – Für Familien» ist Corrado Pardini, Co-Präsident des Gewerkschaftsbundes des Kantons Bern und Mitglied der nationalen Unia-Geschäftsleitung. «Angesichts der zu erwartenden Arbeitsplatzverluste gerade in der Baubranche handelt die Unia absolut nicht im Interesse ihrer Mitglieder», betont auch Bauunternehmer Hans Wanzenried. Der Gewerbeverein hofft deshalb für Dienstagabend auf ein grosses Interesse seitens der Arbeitnehmenden im Saanenland.

von Anita Moser


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