«Eine schöne Piste ist der Stolz jedes Pistenfahrers»

  11.01.2010 Business, Tourismus


René Walker sorgt mit seinem Pistenfahrzeug Nacht für Nacht für tadellose Skipisten (Foto: Nicole Maron)

René Walker lebt nichts Geringeres als seinen Kindheitstraum. Schon immer war er fasziniert von grossen Maschinen und Fahrzeugen, nun fährt er Nacht für Nacht mit dem Pistenfahrzeug über die Skipisten rund ums Horneggli und sorgt dafür, dass die Schneesportler am frühen Morgen perfekte Verhältnisse antreffen.

 

 

 

Welcher Bub hat nicht Grosses im Sinn, wenn er mit seinem Spielzeugbagger durch die Wohnung manövriert, Krane und Schaufeln ausfährt und das Kinderzimmer umgräbt? Mit sehnsuchtsvollen Blicken betrachtet er Lastwagen und andere grosse Gefährte auf der Strasse, und beim Anblick der vielen Knöpfe, Schalthebel und blinkenden Anzeigen schmiedet er enthusiastisch Berufspläne. Genau so ging es auch dem Gsteiger René Walker – doch bei ihm blieb es nicht beim Träumen. Seit vierzehn Jahren kurvt er jeweils von Dezember bis April Nacht für Nacht über die Steilhänge der Schönrieder Skipisten, «verstösst» Schnee und fräst die Rillen in die Pisten, die allmorgendlich den Schneesportlern ein optimales Fahrvergnügen bereiten. Der Umgang mit der Maschinerie macht Walker auch heute noch grosse Freude – und das «Pisten» ist nicht ganz so simpel, wie man es sich vielleicht vorstellt. Es geht nicht nur darum, mit dem Pistenfahrzeug seine Bahnen zu ziehen und den aufgelockerten, «abgefahrenen» Schnee wieder hartzupressen. Die Schneebehandlung ist eine richtige Wissenschaft, die den Pistenfahrern in einem einwöchtigen Kurs vermittelt wird. «Je nach Beschaffenheit und Menge des Schnees muss man beim Pistenfahren ganz anders vorgehen», erklärt Walker. «Kunstschnee beispielsweise ist viel härter als Naturschnee und muss dementsprechend intensiver bearbeitet werden. Ist dagegen viel Neuschnee gefallen, fällt das Pisten leichter.»
Grundsätzlich wird eine Schneeschicht von 10 bis 15 cm aufgelockert und danach wieder hartgepresst und gerillt. Während jedoch Naturschnee von Anfang an gleichmässig über die Pisten verteilt ist, häuft sich Kunstschnee unter den Kanonen und Lanzen an, die je nach Windrichtung alle paar Stunden neu ausgerichtet werden müssen. Diese Aufgabe fällt der Beschneiungs-Equipe zu, doch die Pistenfahrer geben an, an welchen Stellen bereits genug Schnee liegt und an welchen sie mehr benötigen. «Um die Kunstschnee-Haufen mit dem Pflug gleichmässig zu verteilen, benötigen wir manchmal mehrere Stunden», sagt Walker. «Der Skifahrer will schliesslich eine Piste, die eben ist wie ein einziger Teppich. Bei zu vielen Buckeln und Unebenheiten beschweren sich die Gäste manchmal. Allerdings sieht man bei Hochbetrieb bereits um elf Uhr morgens nicht mehr, dass die Piste jemals präpariert worden ist.» Und präpariert werden die Pisten tagtäglich – bei gutem Wetter nachts, bei Schneefall am frühen Morgen. «Bei Öffnung der Skilifte um halb neun Uhr eine schöne Piste bereit zu haben, ist der Stolz jedes Pistenfahrers», ist Walker überzeugt. «Deshalb ärgert es einen manchmal auch ein bisschen, wenn Tourenskifahrer einem die sorgfältig präparierte Piste gleich wieder kaputtfahren.»
Mit der Seilwinde am Steilhang: Grundsätzlich wird mit zwei verschiedenen Fahrzeugen gearbeitet: mit der Flächenmaschine und mit der Seilwindenmaschine. Walker ist für die Seilwindenmaschine zuständig, die auch Steilhänge bewältigen kann, an denen die Flächenmaschine abrutschen würde. An besonders heiklen Stellen muss aber auch die Seilwindenmaschine mit einem Stahlseil befestigt werden. «Das Seil hält allerdings nicht das ganze Gewicht von ca. 12 Tonnen, sondern wirkt nur unterstützend und hält ca. dreieinhalb Tonnen.» Vertäut sind die Seile an Bäumen, und mit einer Länge von 1000 Metern ermöglichen sie das Pisten in einem weiten Umkreis. Trotz dieser Massnahmen kommt es hie und da vor, dass ein Pistenfahrzeug abrutscht und beispielsweise an einem Waldrand stecken bleibt. «Das ist aber weniger dramatisch, als es klingt», schmunzelt Walker. «Ein Kollege, der im näheren Umkreis arbeitet, kann einen zur Not aus der Senke ziehen.» Auch kleinere Reparaturen können die Pistenfahrer selber ausführen – ansonsten steht rund um die Uhr ein Mechaniker zur Verfügung. «Das Mühsamste an grösseren äusseren Reparaturen ist die Kälte, in der man dann manchmal stundenlang arbeiten muss.»
Unfallgefahr besteht für die Pistenfahrer kaum – ganz im Gegensatz zu den Schneesportlern, die ausserhalb der offiziellen Pistenöffnungszeiten unterwegs sind. «Die Stahlseile der Seilwinde, die quer über die Pisten laufen, stellen eine der grössten Gefahren dar», warnt Walker. Die Pistenfahrzeuge selber sind beleuchtet, nicht aber die Seile, so dass Schneesportler diese leicht übersehen oder die von ihnen ausgehende Gefahr unterschätzen können. «Die Seile schwingen manchmal meterweit hin und her, und wenn man davon getroffen wird, kann das zu tödlichen Unfällen führen.» Selber ist er zum Glück noch nie Zeuge eines Unfalls geworden, doch er hat Respekt vor der Gefahr und ist achtsam.
Dass tagsüber nicht mehr gepistet wird, hängt mit dem Gefahrenpotenzial zusammen, das von den grossen, schweren Fahrzeugen mit ihren Pflügen, Raupen und Fräsen ausgeht. «Es ist zwar nicht verboten, aber eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass wir nur vor und nach Pistenschluss arbeiten. In Ausnahmefällen – beispielsweise bei Unfällen oder Bergungen – kommt es allerdings schon vor, dass wir auch während der Betriebszeit auf der Piste unterwegs sind», erzählt Walker. «Aber diese Einsätze mag ich überhaupt nicht. Die Skifahrer scheinen nicht zu realisieren, wie gefährlich die Situation ist, und kommen immer zu nahe heran. Am liebsten fahren sie gleich hinter den Pistenfahrzeugen her, auf dem frisch präparierten Schnee.»
Ein anderer Blickwinkel auf Skipisten und die Bergwelt: Es ist bereits der 14. Winter, in dem Walker als Pistenfahrer unterwegs ist. Bevor er fürs Horneggli zuständig war, hat er im Saanersloch und auf dem Eggli gearbeitet. Bei seinem Sommerjob als Transporteur bei Addor hat er zwar auch mit grossen Maschinen und Fahrzeugen zu tun, aber seine grosse Leidenschaft ist und bleibt die Arbeit auf der Piste. «Ende Winter bin ich manchmal froh um eine Pause, denn ein anstrengender Job ist das Pistenfahren auf jeden Fall, aber schon im Sommer scheint es mir oft, es könne gar nicht schnell genug gehen, bis die Wintersaison wieder beginnt.» Anstrengend sind nicht nur die langen Schichten, die manchmal fast zwölf Stunden lang dauern, sondern auch die unregelmässigen Arbeitszeiten. «Es wird je nach Wetter mehr oder weniger kurzfristig entschieden, ob nachts oder morgens gepistet wird. So kann es vorkommen, dass man von vier Uhr morgens bis halb neun arbeitet und dann abends wieder von fünf Uhr bis zwei, drei, manchmal auch vier Uhr. Das sind lange Tage.» Doch wenn man mit 10 km/h über die weiten, verlassenen Pisten tuckert, die Berge ringsum unsichtbar, wie verschluckt von der Schwärze der Nacht, und tief unten im Tal die Lichter langsam ausgehen, erlebt man die winterliche Bergwelt auf eine ganz andere Art und Weise als im Getümmel der Schneesportler. Das Rattern des Pistenfahrzeuges vermag den Eindruck der Stille, die einen umgibt, nicht zu stören, und das einzige Anzeichen, dass man nicht ganz alleine ist, sind die frischen Spuren von Füchsen oder Hasen, die quer über die Pisten laufen.

Macht den Pistenfahrern diese Einsamkeit nie zu schaffen? René Walker lacht. «Das ist gerade das Beste an diesem Job. Hier habe ich meine Ruhe. Immer Leute um mich herum zu haben, wäre gar nichts für mich. Aber ein bisschen angefressen muss man wohl schon sein für diesen Job.» Der Tagesrhythmus ist gegenüber Freunden und der Familie verschoben – an gemeinsame Nachtessen ist in der Wintersaison nicht zu denken. Doch Walker sieht auch hierzu noch Vorteile: «Man hat tagsüber Zeit für die Familie, was bei einem anderen Beruf nicht möglich wäre.»


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