Zur kulturellen Identität Sorge tragen

  04.08.2022 Tradition, Kultur, Tradition, Gemeinde, Nachbarschaft, Pays-d'Enhaut

Wer an der Ruine Vanel vorbeispaziert, stellt fest, dass um das Gemäuer herum ein Gerüst errichtet worden ist. Der Kanton Waadt, unterstützt von der Gemeinde Rougemont, lässt die Ruine restaurieren.

HANSUELI GAMMETER
Die Leute werden sich fragen: «Was ist der Sinn solcher Arbeiten? Ist es nicht gerade der Reiz einer Ruine, dass sie allmählich zerfällt?» Francois Silva, dem Vorgänger der heutigen Projektleiterin Petra Jossen, sind noch viel radikalere Meinungen zu Ohren gekommen: «Es lohnt sich nicht, diesen Steinhaufen zu restaurieren» oder «Es wäre klüger, alles in die Luft zu sprengen». Philippe Pont, Chef der Abteilung «Immeubles et patrimoine», widerspricht dem vehement: In einer Welt der Globalisierung und Gefährdung der kulturellen Eigenheiten sei es wichtig, dass jede Region zu ihrer kulturellen Identität Sorge trage. Die Erhaltung der bedeutenden Zeugen der Vergangenheit sei unerlässlich, um die Lebensweisen unserer Vorfahren kennenzulernen und die Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit wachzuhalten. Es sei die Aufgabe des Staates und der Gemeinden, diese Zeugen zu erkennen und die für deren Erhaltung nötigen Mittel aufzubringen.

Ein Blick in die Geschichte
Dem Buch «Saanenland, eine Geschichte – eine Zukunft» von Bendicht Hauswirth lässt sich entnehmen, dass die Burg Vanel in der strategisch wichtigen Talenge zwischen Rougemont und dem Saanenland im 11. Jahrhundert errichtet worden ist. Er schreibt: «Sie soll als militärische Wehranlage an der Ostgrenze der Grafschaft Greyerz auch zum Schutz des damals neu gestifteten Klosters Rougemont gebaut worden sein. Sie dürfte aber auch als Rodungsburg zum Zweck der Kolonisation des Saanenlandes und damit der Osterweiterung der Grafschaft gedient haben.» Francois Silva fasst die Baugeschichte kurz wie folgt zusammen: «Ursprünglich Burg der Grafen von Greyerz, zerstört von den Bernern, ebenso von der Eidgenossenschaft, als diese dort während des Zweiten Weltkriegs eine Festung baute. Sie steckte lange unter einer dicken Blätterdecke und trat vor drei Jahren infolge eines Felssturzes neu in Erscheinung.»

Die Restaurierung der Ruine
Zunächst wurden die erforderlichen Sicherungs- und Schutzarbeiten durchgeführt. Darauf legte man in einem Team, dem Fachleute wie Architekten, Ingenieure, Archäologen sowie Experten des Bundes angehörten, fest, welche weiteren Massnahmen ergriffen werden sollten. Wollte man die Burg wieder aufbauen? Wollte man das Vorhandene so sichern, dass es für die Zukunft erhalten bleibt? Mit welchen Materialien? Massgebend für solche Arbeiten ist die Charta von Venedig von 1964, eine international anerkannte Richtlinie für das Vorgehen bei der Konservierung und Restaurierung von Denkmalen. Francois Silva ist klar der Meinung, dass es nicht darum gehen kann, ein verlorenes Denkmal «nachzubauen», sondern das Vorhandene für die Zukunft zu erhalten. Ausserdem sind unsachgemässe Eingriffe der jüngeren Vergangenheit zu korrigieren.

Die Gemeinde Rougemont zeigt sich sehr dankbar für dieses Engagement des Kantons Waadt und will auch selber etwas beitragen. Laut André Reichenbach, im Gemeinderat unter anderem zuständig für Tourismus und Kultur, soll der Zugang zum Turm verbessert und vielleicht ein kleiner Rastplatz angelegt werden. Mit Informationstafeln soll auf die Geschichte des Bauwerks hingewiesen werden.

Grosszügiger Kanton Waadt
Der Kanton wird die Arbeiten am Bau diesen Sommer abschliessen. Er wird für das Projekt ca. 400’000 Franken bezahlen. Auf Gemeindeebene sind die Diskussionen, wie die geplanten Massnahmen umgesetzt werden sollen, noch nicht ganz abgeschlossen. Man rechnet aber damit, dass der verbesserte Weg und die Informationstafeln den Besucherinnen und Besuchern nächsten Sommer zur Verfügung stehen werden. Man hofft, dass die Bevölkerung und die Zweitwohnungsbesitzenden durch freiwillige Beiträge einen Teil der Kosten, die bei der Gemeinde anfallen, übernehmen werden. Wenn alles fertig ist, d.h. im Sommer 2023, soll die Anlage mit einem Fest der Bevölkerung übergeben werden.


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