Umfrage

Ende April 2024 habe ich über Whatsapp und Facebook die Umfrage «Was bedeutet für Dich Kirche?» gestartet und ich habe unglaublich viele Rückmeldungen erhalten. So viele, dass dieses Kirchenfenster das erste von zwei sein wird (in der Juli-Ausgabe erscheint der zweite Teil).
Alle Antworten kann ich nicht mit Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, teilen. Aber einige davon möchte ich hier zitieren. Vielen Dank allen, die mir geschrieben haben.

Was bedeutet mir – persönlich – Kirche?

Natürlich wurde ich immer wieder zurückgefragt, was denn mir Kirche bedeute. Auch ich finde auf diese Frage keine einfache Antwort. Kirche hat für mich ganz viel damit zu tun, was eine befreundete Theologin auf meine Umfrage geantwortet hat:

Gemeinschaft (mit all ihren schönen und weniger schönen Seiten), Arbeit, Gebäude, Erinnerungen, Freude, Trauer, Enttäuschungen, Aufregung vor der Predigt. Und vor allem viele, viele Erlebnisse mit allen Altersgruppen, ein Ausrichten von Körper und Geist auf die göttliche Kraft, auf die Liebe, die uns umgibt. (Theologin, Kanton Bern)

Ja, Kirche bedeutet für mich ganz viel: Kirche ist für mich Heimat (gerade unsere wunderschönen Kirchen im Saanenland sind für mich Kraftorte).
Kirche ist für mich aber auch Familie – in der man sich manchmal lieber mag und manchmal weniger…
Kirche ist für mich gleichzeitig Gemeinschaft und Aushalten von Differenzen. Kirche ist für mich im ganz grossen Kontext weltweit verbindend und im ganz Kleinen – vor Ort – wichtig und zentral.
Kirche ist für mich ein Konstrukt von vielen unterschiedlichen, fehlerhaften Menschen, die versuchen, sich auf Gott auszurichten.
Und damit ist die Kirche für mich kein abstraktes Gebilde, das fehlerfrei auf Gott hinweisen kann, sondern Gemeinschaft von Menschen. Eine Gemeinschaft, die immer und jederzeit wieder zu reformieren und neu zu denken ist. Aus dem Bewusstsein heraus, dass Fehler gemacht werden, weil Kirche mit Menschen zu tun hat und aus Menschen besteht. Kirche bezeichnet für mich zuerst einmal Menschen in einer gewissen Interaktion und erst dann denke ich an Gebäude und juristische Personen.

Sichtbare und unsichtbare Kirche

Wir merken es, ein Nachdenken über die Kirche ist oftmals zwiespältig. Hier kann die Unterscheidung in sichtbare und unsichtbare Kirche helfen.
Die Unterscheidung in sichtbare und unsichtbare Kirche beruht auf der Wahrnehmung, dass Kirche im hier und jetzt oftmals nicht so ist, wie wir uns das auf Grund der biblisch-theologischen Aussagen vorstellen.

Sichtbare Kirche

Zur sichtbaren Kirche gehört alles, was wir seitens Kirchen und christlicher Gemeinschaften erleben. Dazu gehört die Arbeit für Kinder und Jugendliche, die verschiedenen Dienste für Seniorinnen und Senioren, ermutigende Gottesdienste, ökumenische Zusammenarbeit, Geburtstagskarten und Taufglückwünsche, eine funktionierende Verwaltung etc.
Zur sichtbaren Kirche gehört aber auch alles, was uns ärgert und schmerzt: zum Beispiel die Skandale, die Schlagzeilen machen, die Berichte über sexuellen Missbrauch, die Fehltritte von Mitarbeitenden, persönliche Enttäuschungen durch Pfarrpersonen, Ausgrenzungen durch Gruppen, persönliche Eitelkeiten, Machtspiele, Besserwisserei oder dass unser Engagement ohne Resonanz bleibt. Oft hören oder sagen wir: «U söttig wei Christe sy?»
Erfreulich und ärgerlich – so erleben wir die sichtbare Kirche.

Unsichtbare Kirche

Mit der unsichtbaren Kirche hingegen ist die «geglaubte», die «geistliche» Kirche gemeint. Das, was nicht von uns Menschen abhängt. In der Bibel steht hier häufig der Begriff «das Reich Gottes».
Das Reich Gottes ist deutlich grösser und «reiner» als das, was sichtbar und erkennbar ist. Es ist nicht von der Fehlerhaftigkeit von Menschen abhängig. Im Neuen Testament wird die Differenz zwischen schon jetzt und noch nicht (ganz) wunderbar beschrieben: «Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder, es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.» (1. Johannes 3,2) Die Reformatoren haben deshalb auch von der verborgenen Kirche gesprochen.

Und? Noch Informationsbedarf in Sachen «sichtbare und unsichtbare Kirche»? Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.

MARIANNE KELLENBERGER

Gott oder die «Obrigkeit» ist für mich eher auf einem Berg – draussen und nicht in einem Raum. Kirchen besuche ich fast immer in Städten. Und ich fühle dort eine gewisse Geborgenheit. Ich bin nicht ungern in Kirchen, da die Atmosphäre meist sehr angenehm ist und ich mich sehr wohlfühlen kann. Aber wenn ich bete, so gehe ich auf einen Berg. Die Kirche ist ein schöner Ort – aber Gott ist für mich nicht dort drin.

(Frau, Saanenland)

Für mich ist Kirche ein Ort der Stille, des Respekts und fürs Beten. Manchmal gehe ich mitten in der Woche in unsere Kirche – ganz alleine –, lasse die Hektik des Lebens draussen und mein Leben Revue passieren. Dann frage ich mich, was ich in Zukunft noch besser machen könnte. Und es kommen mir auch immer Erinnerungen in den Sinn: die schönen und die traurigen Momente, die ich da schon erlebt habe. Immer wenn ich danach nach Hause gehe, fühle ich mich guten Mutes und wieder gestärkt für das Leben draussen. Auch bestaune ich immer die wunderschönen Kirchenfenster mit dem farbigen Glas. Aber das Schönste für mich ist eine Predigt mit Wärme und Güte, sodass man noch Tage davon zehren kann.

(Frau, Pays-d’Enhaut)

Die Kirche bedeutet mir viel, auch wenn ich nicht zu den regelmässigen Gottesdienstbesuchern gehöre. Sie ist ein Ort der Geborgenheit und Ruhe für mich. (pensionierter Mann, Saanenland)

Für mich ist Kirche ein gespaltenes Thema: ich kenne sie vom KUW und nur für spezielle Anlässe. Und ich höre immer wieder mehr Schlechtes als Gutes. Darum ist mir persönlich der Glaube wichtiger als in die Kirche zu gehen. Gleichwohl finde ich die Gemeinschaft, die man zusammen haben kann, sehr schön und wertvoll. (junge Frau, Saanenland)

Ich bin kein extrem gläubiger Mensch und ich muss auch nicht in die Kirche, um zu beten. Das kann ich gut auch zu Hause, wenn es mir einmal nicht gut geht. Kirche ist für mich gleichwohl ein Ort, der mir Sicherheit und Kraft geben kann, wenn es mir nicht gut geht. Von aussen finde ich die Saanenkirche und die im Gsteig natürlich sehr schön… eigentlich alle unserer Kirchgemeinde. Und ich habe auch den Eindruck, dass je älter man wird, um so mehr «tut» man sich darum.

Aber ich werde sicher nie jemand sein, der jeden Sonntag auf dem Bänkli sitzt.

Da fühle ich mich nicht näher bei Gott, als an einem schönen Ort. Taufe und Konf ist keine Frage – das würde ich für meine Tochter immer wieder wollen. Fürs Heiraten ist mir die Kirche wieder etwas weniger wichtig…

(Frau, Saanenland)

In einer Kirche fühle ich Geborgenheit, Ruhe, Frieden und Hoffnung. In einer Kirche bitte ich um verschiedene Hilfe, die von dieser irdischen Welt nicht kommt. Ehrfurcht ist auch dabei!

(Frau, Saanenland)

«Was bedeutet für Dich Kirche?»

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