Über die Vorbereitungen eines Festredners
02.08.2022 GemeindeViele Interessierte sind nach Saanen gereist, um an den traditionellen 1.-August-Feierlichkeiten teilzunehmen. Die jeweils mit Spannung erwartete Festansprache hielt der Saaner Verwaltungsdirektor Roman Gimmel. Doch wie bereitet man sich eigentlich darauf vor? Wir haben nachgefragt.
JOCELYNE PAGE
Die Schweiz hat sich an ihrem Geburtstag von ihrer besten Seite gezeigt – zumindest in Saanen: verträumte Atmosphäre dank dem Abendrot, angenehm warme Temperaturen, herzliche Begegnungen, beseelte Stimmung. Aufmerksam lauschten die Besucherinnen und Besucher den Melodien der «Ländlerfründe Walopsee» und sangen mit bei der Schweizer Nationalhymne, begleitet von der Brass Band «Harmonie» Saanen – und gebannt hörten sie der Ansprache des diesjährigen Festredners Roman Gimmel zu. Der Verwaltungsdirektor der Gemeinde Saanen blickte auf die Gegenwart, auf Hoffnungen und auf Schweizer Tugenden, die sich seiner Ansicht nach auch weiterhin bewähren sollten (siehe «Ein Auszug aus der Festrede»/Seite 8). Alles verpackt mit Beispielen aus dem Alltag und vielen Redewendungen. «Zählt das Erreichte oder reicht das Erzählte?», müssten sich zukünftig Wählende als auch Kandidierende fragen, so Gimmel.
Von Gedankenfetzen hin zu einer Rede
Was zählt bei einer Festansprache? Welche Gedanken macht man sich bei der Vorbereitung? Als SVP-Politiker und ehemaliger Gross- und Gemeinderat hat Roman Gimmel bereits mehrere Reden gehalten, dies bei verschiedenen Gelegenheiten. Die Vorbereitung beginne meist drei Wochen im Voraus. «Es schwirren viele Gedankenfetzen im Kopf herum, die ich allmählich in einem Mindmap handschriftlich festhalte», erklärte Gimmel. Die definitive, ausformulierte Rede entstehe in den letzten Tagen vor dem Termin. «Ich bin ein Typ, der bei einer solchen Aufgabe einen gewissen Zeitdruck braucht», sagte er lachend. X-Mal gehe er die Zeilen im stillen Kämmerchen durch, lese sie sich laut vor. «Ich streiche Sätze, füge Neues hinzu. Der Vorteil an der kurzfristigen Fertigstellung ist der mögliche Bezug zur Aktualität. Der Nachteil hingegen ist, dass nichts mehr schiefgehen darf.»
Dies traf in Saanen nicht ein: Es gab Applaus, begeisterte Zuhörer überbrachten das Kompliment persönlich. «Ich war das erste Mal an den Feierlichkeiten in Saanen und habe sofort bemerkt, dass die Erwartungen an den Redner hoch sind. Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, derart positives Feedback zu erhalten.» Die Familie, auch seine Eltern, haben ihn begleitet. «Wir haben eine ausgesprochen schöne Zeit erlebt.»
Die richtige Rolle wahrnehmen
Nicht nur der Ort und der Rahmen der Ansprache war Neuland für Gimmel, sondern auch die Funktion, in der er eine Rede hielt. «Ich war als Verwaltungsdirektor dort und nicht als Politiker. Dies rüberzubringen war mir ein grosses Anliegen.» Es wäre auch naheliegend gewesen, auf die aktuellen Krisen einzugehen, wie die Coronapandemie, der Ukraine-Krieg oder die Energiefrage. Er habe sich aber entschieden, kein «kollektives Gejammer» zu veranstalten, sondern mehrheitlich das Positive aufzuzeigen und die Leute zu motivieren. «Am Ende ist es eine Persönlichkeitsfrage.»
Das Schweizer Volk solle sich am 1. August in Erinnerung rufen, auf was es stolz sein könne, beispielsweise auf die Sicherheit, die Freiheit, die Selbstbestimmung und die direkte Demokratie. Und Gimmels Motivation: Gebrauch machen von diesen Möglichkeiten, damit man gegen die jeweils tiefe Stimmbeteiligung bei Abstimmungen ankämpfen könne.
Eine reine Übungssache
Wie steht es mit der Nervosität? Verfliegt diese jemals? «Es ist eine reine Übungssache», sagte Gimmel. Jede und jeder habe einst mit dem ersten Vortrag in der Schule gestartet. Schritt für Schritt und Erfahrung um Erfahrung gewöhne man sich an das Halten einer Rede. «Doch eine gewisse Anspannung bleibt immer und das ist auch gut so.» Am Ende steht Gimmel, wie er selbst in seiner Ansprache sagte, für «Lieber unvollkommen anpacken, als perfekt zögern».
Technisches Problem bei Glocken
Eine Verzögerung bei den Festivitäten in Saanen gab es ebenfalls nicht, im Gegenteil: Ein technisches Problem bei den Glocken der Mauritiuskirche Saanen führte dazu, dass das geplante Glockengeläute ausfiel und sich das Programm um zehn Minuten nach vorne verschob, wie Niclas Baumer – Präsident der Dorforganisation Saanen, die gemeinsam mit der Kulturkommission Saanen die Feierlichkeiten organisiert haben – mitteilte. In der Folge hätten manche Besuchende beispielsweise den Umzug durchs Dorf verpasst, was entsprechend für Unmut gesorgt habe. «Dafür möchten wir uns von der Dorforganisation entschuldigen», so Baumer.