Nicht mehr alleingelassen bei Autismus
29.09.2022 Gesellschaft, Vereine, SaanenlandSeit März gibt es ihn schon, den Verein ASS Saanenland. Anfang der Woche fand nun auch die offizielle Gründungsveranstaltung statt. Eine Bereicherung für das Saanenland, denn die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist in der Schweiz noch immer für viele Angehörige ein Buch mit sieben Siegeln.
SONJA WOLF
Wie gehen Eltern vor, wenn ihr Kind die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (ASS) bekommt? Oder noch wichtiger: Wo und wer übernimmt die Abklärung, wenn ein Verdacht auf ASS besteht? Und wo finde ich Gleichgesinnte, die auch mit einem autistischen Familienmitglied zusammenleben? Fragen über Fragen. Doch nun scheint sich im Saanenland eine Lösung dafür abzuzeichnen: «Wir möchten mit unserem Verein grossherzig für alle Menschen da sein, die Hilfe und Unterstützung bezüglich ASS brauchen», verspricht die Präsidentin Vera Steiner, selbst Mutter einer betroffenen Tochter. Sie hatte bereits im März 2020 die Idee für einen solche Interessensgruppe und arbeitete mit Pfarrerin Marianne Kellenberger an deren Verwirklichung (wir berichteten). Zur Seite stehen werden ihr neben Marianne Kellenberger auch Silvia Vonlanthen und Ada van der Vlist Walker, die selbst Betroffene ist und wertvolle Impulse einbringen kann.
Menschen verbinden
In ihrer Eröffnungsrede erklärte die Präsidentin, wie der Verein helfen kann: Er möchte vor allem Menschen vernetzen, die mit ASS zu tun haben. Dies kann insbesondere am Café Autismus-Stamm erreicht werden, das jeden letzten Montag im Monat im Pfarrhaus stattfinden wird. Genauere Informationen zur Autismus-Thematik können Betroffene in Vorträgen erhalten, die drei- bis viermal pro Jahr angeboten werden. Auch wird der Verein eine Bibliothek mit Büchern und Informationsmaterial bieten.
Fruchtbare Zusammenarbeit mit der Nathalie-Stiftung
Die Besucher der Gründungsveranstaltung kamen bereits in den Genuss zweier informativer Vorträge. Carol Nievergelt, Leiterin der Beratungsstelle der Nathalie-Stiftung, erläuterte das Angebot der Stiftung. Die Nonprofit-Organisation, die der Stiftungsaufsicht des Kantons untersteht, ist ein Kompetenzzentrum für Menschen mit Störungen im Autismusspektrum mit Sitz in Gümligen. (Angebotsbeispiele siehe Kasten)
Wie gehe ich konkret vor?
Die zweite eingeladene Referentin, Verena Marti, Schulleitung Massnahmen Regelschule und integrierte Sonderschulung, zeigte zwei Szenarien auf, nach denen Eltern konkret vorgehen können (siehe Grafik unten).
Generell gilt: Je früher die Abklärung stattfindet, desto besser. So werde dem Kind die Schullaufbahn bedeutend erleichtert. Denn manche nicht diagnostizierte Kinder kämen zwar kognitiv in der Schule gut mit, aber oft zum Preis einer enormen persönlichen Anpassungsleistung. «Wenn sie heimkommen, sind sie ausgepowert und das bekommen dann die Eltern zu spüren», so die Heilpädagogin.
Erste Früchte im Saanenland
Beide eingeladenen Referentinnen betonten den Nutzen der inzwischen gut etablierten Soko-Gruppe. Soko steht für Sozialkompetenz, die Kinder mit ASS sehr wohl trainieren können. Ziel des Trainings ist, die Mimik, Gestik und Äusserungen der Mitmenschen besser zu interpretieren und adäquat reagieren zu können sowie einen Austausch untereinander zu haben. Präsidentin Vera Steiner hatte die Idee, dass dieser wichtige Kurs im Saanenland stattfinden sollte, um Eltern mit betroffenen Kindern weite Wege zu ersparen. So findet er bereits seit Anfang des Jahres alle zwei Wochen in den Räumlichkeiten der Jugendarbeit Saanenland im Kirchgemeindehaus statt, geleitet von einer Lehrperson der Nathalie-Stiftung und einer lokalen Heilpädagogin. Finanziert wird das Soko-Training von der Gemeinde Saanen. Aufgrund des erfolgreichen ersten Phase geht die Soko-Gruppe nun vom Projektstatus in ein festes Angebot der Schule Saanen über.
ASS Saanenland: [email protected], Tel. 079 486 00 04 www.nathaliestiftung.ch/stiftung Soko-Gruppe: Interessierte melden sich auf dem Schulsekretariat der Gemeinde Saanen: [email protected] oder Tel. 033 748 92 95