Inspiriert vom Leben und der Natur
27.04.2023 SerieMelinda Brand aus Lauenen beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit bildenden Künsten: Sie malt Bilder und spielt Theater. Sie ist aber keineswegs eine Stubenhockerin: Abwechslung sucht sie in der Ruhe der Natur. In der Unberührtheit kann sie abschalten – und sich neue Inspiration holen. Eine Begegnung mit einer besonnenen, ruhigen und vielseitigen jungen Frau.
NICOLAS GEISSBÜHLER
«Ich bin sehr fürs Ausprobieren», beschreibt Melinda Brand ihre Vorgehensweise in vielen Lebenssituationen, beispielsweise beim Zeichnen und Malen. Dabei sucht sie nie nach Inspiration für ihre Werke, sondern zeichnet nur dann, wenn sie Ideen hat. Zurzeit malt sie am liebsten mit Acrylfarben, vor einem Jahr waren es eher Aquarelle. Welche Motive sie abbildet, ist noch unterschiedlicher: Manchmal sind es naturgetreue Landschaften, manchmal abstrakte Collagen – die Vielfalt in den Werken von Melinda ist beeindruckend. Sie zeigt mir auch gleich einige ihrer Werke. «Zumindest diejenigen, die ich noch habe», sagt die selbstkritische junge Frau, denn die Werke, die ihr nicht mehr gefallen, verstaut sie auf dem Dachboden. Ich bekomme etliche schöne Landschaften zu sehen, einige realistisch, andere mit mittelalterlichen Dörfern oder anderen dazugedichteten Details. Die Inspiration dafür findet sie jeweils draussen in der Natur und fügt diese einzelnen Elemente dann im Kopf zusammen, ehe sie diese auf die Leinwand bringt.
Allgemein sei sie auch sehr gerne draussen, erklärt Melinda. «Die Natur ist ein wichtiger Ausgleich für mich, sie spendet mir Energie, den Stress und die Probleme des Alltages kann ich so vergessen», sagt sie. Oft zieht sie sich draussen an ruhige Orte zurück, um einfach auf einem grossen Stein, fernab von jeglicher Zivilisation und anderen Menschen, etwas zu lesen. «So lange, bis mir kalt ist. Dann gehe ich wieder nach Hause», fügt sie an. «Ich versuche so, der Natur so nahe wie möglich zu sein.» Oft ist sie aber auch bei einer sportlichen Betätigung draussen anzutreffen. Sie geht gerne joggen, biken oder einfach spazieren. Im Winter – wenn es draussen kalt ist – sei sie aber lieber drinnen am Zeichnen oder Malen, erklärt sie. «Ich fahre auch Ski», fügt sie auf meine Nachfrage an, «allerdings nur zum Spass.» Sie könne in Zeiten der Klimaerwärmung nicht zu hundert Prozent hinter dem modernen Wintersport mit den enormen energetischen Aufwänden für künstliche Beschneiung stehen: «Ich finde, man kann dann Ski fahren, wenn auch Schnee liegt.»
Die Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung sind beides Themen, die Melinda auch während den schneefreien Monaten beschäftigen: «Mich stört der Luxus, den sich die Leute auf Kosten der Natur gönnen», sagt sie. Etwas, was sie noch mehr beschäftigt, sind aber die weltweiten Hungersnöte und der immer grösser werdende Unterschied zwischen reichen und armen Menschen. «Ich würde mich später gerne an Projekten beteiligen, die gegen diese Notstände kämpfen», erklärt sie entschlossen. Diese Unfairness, die es aktuell gebe, mache sie wütend. Und auch wenn Melinda auf mich sehr ruhig und besonnen wirkt, spüre ich, dass ihr diese Notstände ans Herz gehen. Sie zeigt sich aber auch von einer hoffnungsvollen Seite: «Es ist schön zu sehen, dass sich so viele Leute gut informieren», sagt sie. Am Gymnasium würden diese Themen gut und differenziert vermittelt. «Es geht in die richtige Richtung, aber es braucht noch viel mehr», fügt sie an. Dennoch wünscht sie sich allgemein mehr Weltoffenheit und Verständnis für andere.
Ihre ganz grosse Leidenschaft ist aber weder das Malen noch das Politisieren, sondern das Theaterspiel. Sie erzählt mir ausführlich von ihrem letzten Stück, bei dem sie mitwirkte, einer Aufführung des Gymnasiums mit dem Titel «Transformation». «Wir haben das Stück gemeinsam mit dem Theaterpädagogen entworfen und geschrieben», erklärt Melinda. Sie habe dabei eine ganze Szene allein geschrieben, mit Text und Regieanweisungen. Es ging dabei um eine Person, die in einer Verwandlung steht und sich von Tag zu Tag anders fühlt. Dies wird in der Szene mit anderen Menschen diskutiert. «Ich konnte extrem viel lernen, auch wenn es eine sehr stressige Zeit war», sagt sie. Die Proben waren jeweils in Interlaken, Melinda geht aber in Gstaad zur Schule. So musste sie einmal pro Woche oder alle zwei Wochen nach Interlaken fahren, während der Intensivproben kurz vor der Aufführung war sie die ganze Woche vor Ort und übernachtete in der Jugendherberge. Daneben musste sie noch die durch die Theaterproben verpassten Schulstunden nachholen. Ob dies denn nicht ermüdend sei, will ich wissen. «Es gab schon lange Steh- und Wartezeiten, jedoch war es für mich überhaupt kein Problem. Wenn ich etwas gerne mache, habe ich mehr Energie dafür», antwortet sie. Sie mag das Theaterspielen auf der Bühne als Schauspielerin, jedoch genauso gut auch das Regieführen und Texte schreiben. «Es hat grossen Spass gemacht, auch weil wir uns so stark einbringen konnten. Wir haben das komplette Stück alle gemeinsam entworfen.» Nach diesem Erfolgserlebnis freut sie sich vor allem auf das nächste Theaterprojekt nach den Sommerferien – und auf das Studium nach dem Gymer, weil sie «da wieder etwas Neues sehen kann».
Wovon träumen die jungen Menschen des Saanenlandes und wie gestalten sie ihr Leben? Die Serie «Jung und ...?» gibt ihnen eine Stimme. Die Porträtierten wählen selbst eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Melinda Brand hat als Nächstes Ronja Szalaiova aus Lauenen nominiert.
ZUR PERSON
Melinda Brand ist in Gsteig geboren und verbrachte ihre ersten neun Lebensjahre dort, ehe sie mit ihrer Familie nach Lauenen zog. Heute ist sie 16 Jahre alt. Sie hat eine ältere (20 Jahre) und eine jüngere Schwester (12 Jahre). Ihre Hobbys sind vor allem die bildenden Künste: Sie spielt leidenschaftlich gerne Theater, malt und zeichnet gerne. Sie besucht zurzeit das Gymnasium in Gstaad mit dem Schwerpunktfach Psychologie, Philosophie und Pädagogik. Wo es sie beruflich hin verschlagen wird, ist noch nicht sicher, sie interessiert sich aber für die Pädagogik mit Kindern, die Forschung in der Natur oder Kunst wie Design, Malerei und Schauspiel. Bei der Malerei erachtet sie die Jobaussichten allerdings als nicht ganz einfach.