Was, wenn das Wasser in den Sömmerungsgebieten knapp wird?

  05.04.2024 Gstaad, Landwirtschaft

Es wird messbar wärmer und das Klima ändert sich mit der allfälligen Konsequenz, dass Wasser in künftigen Sommern auf den Alpen knapp wird. Wie können Sömmerungsbetriebe damit umgehen? Am dritten Forum Alpwirtschaft wurden Lösungen gesucht.

KEREM S. MAURER
Er war da, wenn auch mit kleiner Verspätung: Bundesrat Albert Rösti, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), eröffnete das dritte Forum Alpwirtschaft mit dem Thema: Wassermanagement und Wasserqualität in der Alpwirtschaft. Der Klimawandel finde statt, darüber müsse man nicht diskutieren, sagte der Bundesrat im gut gefüllten grossen Saal des Inforamas Berner Oberland. Ob man hierzulande mit entsprechenden Bemühungen die Klimaerwärmung stoppen oder gar umkehren könne, bezweifle er, weil die Schweiz zu klein sei, um das Weltklima zu beeinflussen. Aber: «Wir müssen den Schwerpunkt bei den Anpassungsmassnahmen setzen und dort investieren», ist Rösti überzeugt. In seiner Ansprache unterstrich der Bundesrat die Bedeutung einer nachhaltigen Wasserversorgung von Sömmerungsbetrieben und sicherte eine sachdienliche Ausrichtung der ihm unterstellten Bundesämter zu.

Wasser ist nicht gleich Wasser
Guter Berner Alpkäse AOP könne nur mit einwandfreiem Trinkwasser hergestellt werden, stellte Maike Oestreich, Leiterin der Alpkäsereiberatung am Inforama, in ihrem Referat klar. Und damit es in kommenden Sommern noch genügend Trinkwasser auf den Alpen gebe, sei es unabdingbar, dass Beratung, Forschung und Praxis gemeinsam nach geeigneten Lösungen suchten. «Wir müssen Lösungen für die nächsten Jahrzehnte finden, die Weichen für das nächste Jahrhundert stellen und visionär denken», sagte Maike Oestreich. Schliesslich sei die Problematik nicht neu, denn bereits im Hitzesommer 2003 hätten Trockenheit und Wasserknappheit auf den Alpen geherrscht.

Wie man Wasser auf den Alpen wiederverwenden kann, erklärte der im Simmental aufgewachsene Marco Rieder, Käsereiplaner der Rieder Metallbau AG, aus Frutigen. Er gab zu bedenken, dass Trinkwasser oft für Arbeiten genutzt würde, die kein Trinkwasser erforderten. Und da Trinkwasser das erste sei, was in trockenen Sommern knapp werde, gelte es, dieses zu sparen. Rieder präsentierte einige Ideen zur Wasserwiederverwertung und -mehrfachverwendung. Für die Käserei verwendetes Kühlwasser müsse kein Trinkwasser sein und könne wieder aufgefangen werden. Regenwasser (Brauchwasser) könne in Zisternen gesammelt werden, was viel Platz benötige, und müsse vor der Verwendung als Trinkwasser aufbereitet werden. Zum Beispiel aufgekocht, was aber sehr viel Energie verbrauche. Es gebe viele technisch machbare Möglichkeiten zur Trinkwasserbeschaffung auf der Alp, auch das Aus-dem-Tal-auf-den-Berg-Pumpen, nur: Sind diese Lösungen finanzierbar?


Das dritte Forum Alpwirtschaft im Inforama Berner Oberland in Hondrich war sehr gut besucht. FOTOS: KEREM MAURER

Das Wasserbilanzierungstool
Forschende der Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) präsentierten ein auf Excel basiertes Programm, mit dem der Wasserverbrauch und die Wasserverfügbarkeit eines Sömmerungsbetriebs modelliert werden können. Mit diesem Tool, das mit vielen verschiedenen Parametern «gefüttert» wird, lässt sich berechnen, wie viel Wasser man zum Beispiel für eine bestimmte Menge Kühe und Käse in einem Sommer benötigt und es errechnet, wie viel Wasser auf der Alp unter Berücksichtigung topografischer und klimatischer Faktoren letztlich zur Verfügung steht. So wird deutlich, wie viel Wasser am Ende fehlt. Und es kann ermittelt werden, wie sich die Wasserverfügbarkeit auf dem betrachteten Sömmerungsgebiet mit zunehmender Trockenheit und steigenden Temperaturen verändert. Eine grosse Unbekannte in diesen Modellen seien allerdings die Quellen. Von denen wisse man nicht, wie lange und wie ergiebig sie noch sprudeln werden. Dennoch lasse sich berechnen, ob und in welchem Umfang präventive Anpassungen am bestehenden Wasserversorgungssystem vorzunehmen seien, um für ein von einem Modell berechneten Zukunftsszenario gewappnet zu sein.


«Wir werden uns anpassen und für die Zukunft rüsten müssen»


David Perreten weiss, dass sich in Zukunft einiges in der Alpwirtschaft ändern wird. FOTO: ZVG

Die Klimaveränderung erfordert Anpassungen der Landwirte in der Alpwirtschaft. David Perreten erklärt, warum er, um Wasser zu sparen, eher auf die Herstellung von Alpkäse verzichten würde als auf die Reduktion des Viehbestandes auf der Alp. Wünschenswert wäre für ihn zudem eine gewisse Flexibilität bei den Bestossungszeiten.

KEREM S. MAURER

David Perreten, ist die Alpwirtschaft, wie wir sie kennen und Sie und Ihre Kollegen sie ausüben, ein Auslaufmodell?

Nein. Ich bin von der Zukunftstauglichkeit der Alpwirtschaft überzeugt. Aber wir werden uns anpassen und für die Zukunft rüsten müssen. Die Alpwirtschaft ist gerade in unserer Region für die Biodiversität, das Landschaftsbild und auch für die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaftsbetriebe von derart grosser Bedeutung, dass diese in Wert gesetzt werden muss. So wird sich auch zeigen, dass sich Investitionen in den Fortbestand der Alpbetriebe für alle lohnen.

Laut den Referaten ist in den Voralpen und den Alpen die Wasserknappheit nicht so dramatisch wie im Flachland. Ihr Sömmerungsgebiet, die Alp Vorder Walig, liegt auf einer Höhe von 1700 bis 2000 Metern über Meer. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Bei uns wird hauptsächlich die Verteilung des Wasserangebots auf der Alp zunehmend schwieriger. Immer wieder muss Wasser alpintern transportiert werden. Deshalb planen wir eine umfassende Neukonzipierung unserer Wasserversorgung.

Also ist Wasser sparen für Sie ein Thema?

Für einen Alpbetrieb ist Wasser sparen nicht einfach. Wir sparen durch den Einsatz von Schwimmertränken, durch die Vergrösserung der Lagerkapazität in den Reservoirs sowie durch die Nutzung von Wasser aus dem Bergbach als Brauchwasser und durch eine Optimierung der Milchkühlung.

Laut einer Faustregel werden für die Produktion eines Kilogramms Käse zehn Liter Milch benötigt. Und um diese Milchmenge zu produzieren, braucht es rund 10’000 Liter Wasser. Sie stellen selbst Alpkäse her, deckt sich diese Aussage mit Ihren Erfahrungen?
Bei dieser Rechnung gehe ich davon aus, dass der Wasserbedarf für das Futterwachstum eingerechnet ist. So wird die Ökobilanz tierischer Produkte schlechtgemacht. Weil unser Gras sowieso wächst, ist diese Bilanz falsch. Eine Milchkuh produziert mit einem Wasserbedarf von etwa 100 Litern pro Tag rund 15 Kilogramm Milch. Dazu braucht es für Reinigung und Käseproduktion grob gerechnet noch einmal 500 Liter Wasser pro Produktionstag.

Könnte man, um den Wasserverbrauch zu halbieren, den Bestand an Kühen und damit die herzustellende Menge Käse um die Hälfte reduzieren?

Hier stellt sich die Frage nach der genügenden Nutzung der Alpen. Schlecht genutzte Alpen verwalden rasch, was eine Verminderung der Biodiversität bedeuten würde. Zudem haben wir sehr wenig Spielraum bei der Rentabilität: Weniger Produktion ist gleich weniger Wertschöpfung. Würde nur die Hälfte der Kühe gealpt, müsste die andere Hälfte im Talbetrieb bleiben, was weniger Futterertrag für den Winter bedeuten würde. Das ist für mich keine Option. Einzig die Aufgabe der Alpkäseproduktion kann bei mangelnder Wasserqualität und -menge allenfalls sinnvoll sein, sofern die Milch abtransportiert werden kann.

Klimamodelle sagen künftig im Winter mehr Niederschlag voraus – Regen, kein Schnee. Dieses Regenwasser soll für die Nutzung im Sommer gespeichert werden. Was halten Sie davon?

Sicher ist die Speicherkapazität ein Thema, allerdings für den ganzen Bedarf eines Sommers sehr kostenintensiv. Es wird künftig einen Mix brauchen aus Sparen, Speichern, Wiederverwenden und Umverteilen, sprich Pumpen.

Woher soll im Saanenland das fehlende Wasser für die Sömmerungsgebiete kommen?

Glücklicherweise haben wir noch zuverlässige Quellen und Grundwasservorräte. Daher sehe ich weniger Probleme bei der Verfügbarkeit von Wasser als bei der Erstellung und dem Betrieb der dafür nötigen Infrastrukturen.

Regenwasser muss, bevor es zur Käseherstellung genutzt werden darf, als Trinkwasser aufbereitet werden. Beispielsweise durch abkochen. Das ist sehr energieintensiv. Wäre dies machbar?

Schon jetzt müssen einige Bauern auf ihren Alpen das Wasser für die Produktion abkochen. Energie haben wir meist genug in Form von Holz. Allerdings ist das Abkochen arbeitsintensiv und mühsam. Ich denke, jede Alp wird für sich die passende Lösung suchen und umsetzen müssen.

Könnte man die Sömmerungsmonate in Zeiten verschieben, in denen es auf den Alpen mehr Wasser und Futter gibt? Frühling, Herbst oder Winter?

Erwünscht ist grundsätzlich eine gewisse Flexibilität bei der Bestossung: So könnten gewisse Alpen vielleicht früher im Frühjahr bestossen, im Hochsommer einen Monat verlassen und im Herbst etwas länger genutzt werden. Eine Nutzung der Alpen im Winter ist unmöglich.

HAFL-Forschende haben ein Programm entwickelt, welches die Wasserverfügbarkeit bei zunehmender Trockenheit und Hitze berechnet. Was halten Sie von diesem Programm und würden Sie damit arbeiten?

Die Bestrebungen sind gut. Leider sind die Alpbetriebe sehr unterschiedlich, daher glaube ich nicht, dass dieses Tool derzeit die Eigenheiten der Betriebe genügend berücksichtigen kann. So wird beispielsweise die Wasserverteilung innerhalb des Weidegebietes nicht berücksichtigt, nur Verbrauch und Angebot. Aber ja, ich würde es nutzen, um ein paar Varianten durchzuspielen und auch, um den zusätzlichen Wasserbedarf bei fortschreitender Klimaveränderung abschätzen zu können.

Dieses Interview wurde schriftlich geführt.

 

 


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