Seit Donnerstag, 24. Februar 2022 geht es jeden Tag einfach weiter mit dem unsäglichen Krieg in der Ukraine. Präsident Selenski glaubt noch immer – und wie es scheint immer mehr – an einen Sieg. Von Putin gar nicht zu reden.

Dabei gibt es keinen Krieg, den man gewinnen kann. Das gab und wird es nie geben. Es sind nur Verlierer und Opfer zu beklagen: Alte, Junge, Frauen, Männer und vor allem Kinder. Und die beiden Kontrahenten, Putin und Selenski, sind vor der Geschichte dafür die Hauptverantwortlichen. Gemäss Papst Franziskus sind die einzigen Gewinner eines Krieges die Waffenlieferanten.

Der Papst hatte schon im letzten März in einem Interview mit dem «Radio della Svizzera Italiana» den beiden Kriegführenden den «Mut zur weissen Fahne» empfohlen: «Der Stärkste ist derjenige, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weissen Fahne hat und verhandelt. Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird. Verhandeln ist niemals ein Sich-Ergeben. Es ist der Mut, das Land vor dem Selbstmord zu bewahren.» Die Ukraine habe bereits unter Stalin viel zu viel erlitten. Es sei hier daran erinnert, dass im Sommer 1941 auch Hitler mit der deutschen Wehrmacht die Ukraine überfiel.

Nach der päpstlichen Intervention waren die Kritiker sofort zur Stelle. In der Ukraine wurde die «weisse Fahne» als Aufforderung zur Kapitulation verstanden. Aber beispielsweise auch in Deutschland wies man den Papst in die Schranken. Allen voran Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Sie meinte: «Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine» und der Krieg sei ja schon zehn Jahre im Gang. Göring-Eckardt wurde nun deutlich: «Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann…» Und die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) kritisierte den Papst heftig: Er müsse gar nicht die Ukraine mahnen, sondern Russland. Wenn Russland sich zurückziehe, sei der Krieg sofort beendet.

Über 300 Pro- und Kontra-Kommentare zu den päpstlichen Worten können allein in der «Neuen Zürcher Zeitung» nachgelesen werden – unter dem merkwürdigen Titel «Fremd in Europa, latent antiamerikanisch, unpräzise: der päpstliche Missgriff zur weissen Fahne».

Für die Ukraine selbst äusserte sich der Aussenminister Dmytro Kuleba: «Unsere Fahne ist gelb und blau. Das ist die Fahne, mit der wir leben, sterben und durchhalten. Wir werden nie eine andere Fahne hissen.» Kuleba soll auf dem Netzwerk «X» zudem Papst Franziskus für seine Gebete in den zwei Kriegsjahren gedankt und ihn zu einem Besuch in der Ukraine eingeladen haben. Aber ohnehin ist der Krieg nach der UN-Charta rechtlich verboten, er ist grundsätzlich illegal und rechtswidrig.

Abschliessend drei persönliche Bemerkungen: Seine Heiligkeit Papst Franziskus ist wohl weltweit einer der begnadetsten Kommunikatoren. Vor etwa 20 Jahren wollte ich mich als profanes Mitglied von der römisch-katholischen Kirche – über ein Telefon ans Sekretariat der Bischofskonferenz – verabschieden und austreten, nicht zuletzt weil sich der damalige Papst nach meinem Empfinden irgendeiner Dummheit schuldig gemacht hatte. Der freundliche Sekretär nahm meinen Wunsch ungern zur Kenntnis und fragte dann, ob ich denn überhaupt getauft worden sei. Meine Antwort war «Ja». Darauf der Sekretär: «Ja, wenn das so ist, also wenn Sie getauft worden sind, dann bleiben Sie Mitglied der römischkatholischen Kirche mindestens bis ans Lebensende.» Eigentlich bin ich noch heute für diese Antwort dankbar.

Seit Anfang der Sechzigerjahre lese ich die «NZZ» und später dann hätte sich gelegentlich ein Anlass zur Aufkündigung des Abonnements gefunden. Aber nur gerade wegen Kommentaren und Artikeln, die nach dem Lesen in den Papierkorb mit der Anschrift «bireweich» hätten entsorgt werden müssen. Heute aber gehört die «NZZ» längst wieder – neben dem «Anzeiger von Saanen» – zu den besten Schweizer Zeitungen.

OSWALD SIGG

JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER oswaldsigg144@gmail.com

Krieg in der Ukraine: aufhören!

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