Im Saanenland aufgewachsen und jetzt …
02.12.2022 SerieDas Gurtenbühl ist ein Quartier in Wabern bei Bern. Dort leben Christian Heimann und seine Familie: seine Frau Céline und die zwei Buben Maël (viereinhalb) und Jaron (zweieinhalb).
Das Gurtenbühl werde oft mit dem Gurtendörfli auf dem Gurten verwechselt, sagt Christian Heimann, dabei brauche er für den Aufstieg vom Zuhause auf den Berner Hausberg immerhin eine knappe halbe Stunde. Das habe er bei seinen regelmässigen Kinderwagenausflügen dort hinauf erfahren. Zuerst den Chüngelihoger hoch, dessen Steilheit es mit den steilsten Strassen im Saanenland aufnehmen könne. Dann über den Grünenboden zum Gurten Kulm fast dreihundert Meter höher als das Gurtenbühl, das sich wie Wabern auf dem Gemeindegebiet von Köniz befindet – eine sportliche Leistung. Sportlich ist Christian Heimann auch die Integration in der neuen Heimat angegangen.
Redaktor und…
Im Gurtenbühl-Leist, dem Quartierverein, ist er heute Vizepräsident und Redaktor der digitalen Quartierzeitung «Gurtebrüeler». Diese erscheint immer nach Bedarf und verbreitet wie der «Anzeiger von Saanen» lokale Informationen, wie zum Beispiel den Gewinn einer Goldmedaille eines Gurtenbühler Bootsbauers an den SwissSkills. Unverkennbar, dass Christian Heimann die Erfahrungen, die er in seiner Lehre zum Polygrafen bei Müller Medien/Müller Marketing und Druck in Gstaad machte, nun im Gurtenbühl gut einsetzen kann. «Ein Saanenland ohne ‹Anzeiger von Saanen› ist für mich undenkbar», sagt Christian Heimann. «Ein wichtiges Bindeglied der Region würde fehlen. Ich versuche mit der Quartierzeitung, ein solches für das Gurtenbühl zu schaffen.»
…Quartierspielplatzverantwortlicher
Er ist im Verein auch der Quartierspielplatzverantwortliche: liest Äpfel ab, inspiziert und mäht den Rasen und ölt die Schaukel, damit sie nicht quietscht. Er setzt sich für das beliebte Sommerfest mit Grill, Raclette und jeweils über hundert Feiernden ein, für die Gurtenbühl-Weihnachten, den Räbeliechtliumzug und das Homekino. All die Events lassen sich aber nicht alleine stemmen, immer ist Teamwork und eine geschickte Aufgabenverteilung nötig. Als Brückenbauer und Pragmatiker versucht er gerne, Arbeiten zügig auf die richtige Bahn zu bringen. «Manchmal ist ein Sonder-Effort nötig, um aus etwas Gutem etwas Grossartiges zu machen, doch ich hatte noch nie das Gefühl, es habe sich nicht gelohnt», meint er zufrieden. Ein Rundgang im Internettauftritt des Gurtenbühl-Leistes lohnt sich, und ermöglicht auch einen Blick ins Archiv des «Gurtebrüelers».
Musikclubpräsident
Bereits vor über zehn Jahren begann ein Einsatz, der mit seiner Leidenschaft für Musik zu tun hat. Heimann ist Präsident des Vereins Mahogany Hall Bern. Die «Mahog», wie der Musikclub auch liebevoll genannt wird, wurde 1968 von Miterfindern des Gurtenfestivals Bern gegründet. Heute zählt der Verein sechs Vorstandsmitglieder, dreihundert Passivmitglieder und hundert Aktivmitglieder, die pro Jahr hundertvierzig Konzerte durchführen – zu einem grossen Teil ehrenamtlich. Der Staatsanwalt arbeitet da mit dem Angestellten, der pensionierte Musikliebhaber mit dem jungen Blues-Fan zusammen. Der Mahogany Hall und Christian Heimann ist musikalische Vielfalt wichtig. Das Programm reicht von Rock, Blues und Funk über Soul, Latin, Pop bis hin zu Rock, Reggae, Folk, Indie und Singer-Songwriter-Balladen. In Musikernamen übersetzt tönt das Angebot etwa so: Mani Matter, Marc Sway, Michael von der Heide, Pegasus, Andreas Vollenweider, Oscar Klein, Bill Coleman, Clark Terry, Stiller Has und Philipp Fankhauser. Die grossen Namen ins 180 Personen fassende Lokal zu kriegen, ist nicht immer einfach – umso schöner, dass es rund um Bern unglaublich viele Musikperlen gibt, und so auch vielen jungen und regionalen Bands ein Auftritt ermöglicht werden kann.
Mahogany-Hall-Werber
Angefangen hatte er hinter der Bar, dann kam die Aufgabe, die visuelle Identität des Clubs zu erneuern – neues Logo, neue Programme, neuer Webauftritt – und den grafischen Fingerabdruck der Mahogany Hall zu schaffen. So hängt heute das Logo am Klösterlistutz 18. Die Lage in der Nähe des Bärenparks würde auch Konzertbesuchenden aus dem Saanenland ein bequemes Parkieren und den Besuch eines Konzerts ermöglichen. Von Saanen bis zur Mahogany Hall dauert die Fahrt eine Stunde und zwanzig Minuten. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, nimmt vom Bahnhof Bern aus den Bus Nr. 12 in Richtung Paul-Klee-Museum – Haltestelle Bärenpark. Die späteste Verbindung nach Zweisimmen ist um Viertel nach elf, um mit dem letzten Zug im Obersimmental um ein Uhr früh anzukommen.
Velopendler
Christian Heimann setzt sich nicht nur in der Freizeit ein, nein, er arbeitet auch und das zu hundert Prozent. Seinen Arbeitsplatz am Bundesrain, unterhalb vom Bundeshaus direkt neben der Marzilibahn, erreicht er bequem mit dem Velo. Einen Monat vor der Abstimmung über das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste wurde Christian Heimann vom Bundesamt für Polizei fedpol als Fachspezialist für die elektronische Identität angestellt. Am 7. März 2021 lehnten Volk und Stände das E-ID-Gesetz ab. Aus anfänglicher Sorge, dass sein Einsatz bereits wieder beendet wäre, wurde durch eine klare Ansage der Politik schnell der Auftrag, die Umsetzung der elektronischen Identität auf eine neue Basis zu stellen. So wird sein Engagement noch für einige Zeit benötigt. Dazu erarbeitet er gemeinsam in Teamarbeit und departementsübergreifend Konzepte, Umsetzungsmassnahmen und Grundlagen für eine digitale Vertrauensinfrastruktur. Abklärungen macht er mit allen möglichen Beteiligten: Bundesbehörden, Kantonen, Vertretern der Wirtschaft und interessierten Personen aus der Bevölkerung – auch und besonders mit den kritischer Eingestellten. Dies immer mit dem Ziel, eine gute digitale Infrastruktur für die Schweiz zu schaffen.
Waffenloser Bundespolizist
Er hat keine Waffe, jagt keine Kriminellen, hat aber immerhin einen Polizeiausweis. Nebst der E-ID verfolgt er auch andere Projekte, eines davon ist «Officer Cyborg»: Hassreden und Beleidigungen sind häufig im Internet anzutreffen und für die Geschädigten ist es schwierig, sich gegen die Täter/innen zur Wehr zu setzen. Sie müssen dazu einen Polizeiposten aufsuchen und Formulare ausfüllen. Christian Heimann arbeitet in einem Zukunftslabor daran, dieses Vorgehen zu vereinfachen, um bei Ehrverletzungsdelikten im digitalen Raum direkt über das Internet Anzeige erstatten zu können.
Fragenbeantworter
Vor- und nach der Arbeit widmet er sich der Familie. Der ältere Sohn geht schon in den Quartierkindergarten. In der Betreuung der Kinder wechseln sich Mutter und Vater ab, dazu wird das Angebot einer Kindertagesstätte in Anspruch genommen. Am Abend gibt es ein Einschlafritual für die beiden Buben – die letzte Frage. Zum Beispiel: Wie baut man Nastücher? Wie macht man Luft? Wie baut man einen Heissluftballon? Wie einen Gleitschirm? Der Schreiber dieses Textes hat auch eine: Wie integriert man sich an einem neuen Ort? Die Antwort ist rasch gefunden: Man engagiert sich wie Christian Heimann in seiner Familie, seiner Arbeit und schlicht dort, wo Leidenschaft im Spiel ist.
THOMAS RAAFLAUB
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