Ein See, ein Seil, ein Getriebe und ganz viele Nerven
16.06.2022 Destination, Volkswirtschaft, TourismusLieferengpässe in der Maschinenindustrie sorgen auch bei der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) für Kopfzerbrechen. Frühzeitig bestellte Ersatzteile für den Betrieb des Speichersees, der Rinderbergbahn und der Gondelbahn auf die Wispile werden nur schleppend oder gar nicht geliefert.
JENNY STERCHI
Die Revisionen an der Gondelbahn am Rinderberg kurz nach dem Ende der Wintersaison zeigten, dass ein Getriebe ersetzt werden muss. Ebenso ergab die Überprüfung der Anlage an der Wispile, dass es in der oberen Sektion ein neues Seil braucht, bevor der Betrieb wieder aufgenommen werden kann. Eigentlich nichts Besonderes für die Seilbahnmitarbeitenden der BDG. Nur war die Ausgangslage nach zwei Jahren Pandemie und dem aktuell herrschenden Krieg in der Ukraine völlig anders.
Mehrere Ursachen
Die weltweiten Einschränkungen durch das Sars-Cov-2-Virus verursachten eine angespannte Lage in den Zulieferbetrieben grosser Maschinenbauunternehmen. Produktionsketten mussten unterbrochen werden. Der Warenumschlag kam ins Stocken. Zu den kriegsbedingten Engpässen bei Zulieferern kommen nun noch markant höhere Energiekosten sowie Rohstoffpreise. Kurz gesagt, wenn etwas überhaupt verfügbar ist, dann ist es gewiss teurer als noch im letzten Jahr.
Planung als Herausforderung
Für die Bahn am Rinderberg stand ein Getriebewechsel vor dem Sommerbetrieb auf dem Programm. Die ausbleibende Lieferung des gewünschten Maschinenteils sorgte für eine überaus angespannte Situation. Bis letzte Woche wusste keiner, ob es bis zum Saisonstart, der auch am Rinderberg für morgen geplant ist, reichen wird. «Mittlerweile konnten wir das Getriebe einbauen und die Bahn betriebsbereit stellen», erklärt Gerhard Marti, Leiter Seilbahntechnik bei der BDG.
Ähnlich nervenaufreibend liefen die Revisionsarbeiten an der Gondelbahn Wispile in Gstaad ab. Das für den Sommerbetrieb unbedingt gebrauchte Seil für die obere Sektion der Gondelbahn wurde erst letzte Woche geliefert. «So ein Seil ist nicht so schnell eingehängt», weiss Marti. Früher erwartet, aber nun in grossem Zeitdruck, müssen die Mitarbeitenden die verbleibende Zeit bis zum geplanten Betriebsbeginn morgen optimal nutzen. Der Seilspleiss und der erste Probelauf konnten am Mittwoch realisiert werden. Nach der Testfahrt heute kann auch die Wispile-Gondelbahn morgen wie geplant den Betrieb aufnehmen. «Der Druck und die Kurzfristigkeit haben bei allen Mitarbeitenden extrem viel Energie gekostet», bestätigt Matthias In-Albon, Geschäftsführer BDG.
Noch kein Wasser in Sicht
Anders verhält es sich beim Speichersee auf dem Hornberg. Normalerweise ist er um diese Jahreszeit mit Wasser gefüllt und bietet den Wakeboardbegeisterten die perfekte Bühne für ihren Sport.
In diesem Jahr warten die Verantwortlichen händeringend auf Ersatzteile. «Das Tragische daran ist, dass wir nicht weiterkommen, weil uns Dichtungen für einen Schieber nicht geliefert wurden», beklagt Walter Reichenbach, Leiter Pisten und Rettungsdienst BDG. Es ist wie bei einem Uhrwerk: Fehlt auch nur ein kleines, scheinbar unbedeutendes Bauteil, funktioniert das Ganze nicht. «Wir brauchen häufig Spezialteile, da können wir nicht einfach auf Alternativen zurückgreifen.»
Das Wasser wurde abgelassen, da Löcher geflickt und die Technik revidiert werden mussten. «Für die Mitarbeiter kein Schleck», weiss Reichenbach. «Auf dem Boden des Sees wird die Wärme gespeichert, kein Windstoss verirrt sich in diese Mulde. Es sind Bedingungen wie in einem Backofen.» Um die Gesundheit der Mitarbeitenden nicht zu gefährden, sind häufige kurze Pausen angesetzt, in denen sie das Seebecken verlassen und abkühlen können. «Das stiess hier und da auf Unverständnis bei Passanten, die an der Arbeitsmoral der Mitarbeitenden zweifelten.»
Randschwierigkeiten
Bei diesen relativ grossen Problemen, drohen die kleineren vergessen zu gehen. Die Einrichtung der Berghäuser, die nur via Gondelbahn gut zu erreichen sind, sollen für den Sommerbetrieb ausgestattet werden. Die Waren müssen geliefert und die Räumlichkeiten hergerichtet werden.
Anderer Ort, andere Baustelle: Die Trottinetts, die den Besuchern an der Wispile für die Talfahrt zur Verfügung stehen, werden regelmässig gewartet. Die Bremsklötze, die zu ersetzen waren, liessen ebenso eine Weile auf sich warten. «Die Herausforderungen werden nicht weniger, aber die Sommersaison startet wie geplant, zumindest was die Bergbahnen angeht», sagt In-Albon abschliessend.