Der Schweisshund – Jagdhund mit Spezialisierung

  12.09.2022 Brauchtum, Brauchtum, Berner Oberland

Die Prüfung, mit der sich Jagdhunde für einen Einsatz als Schweisshund qualifizieren, ist in diesem Jahr schon vorbei. Dominique Kurt, Hundeobmann beim Jagd- und Wildschutzverein Saanenland, bereitet die Prüflinge und ihre Halter das ganze Jahr über auf diese Prüfung vor.

JENNY STERCHI
Es ist der erste Tag, an dem die Hirschjagd offen ist. Eigentlich ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, mit dem Jäger Dominique Kurt über die Schweisshundeprüfung zu reden. Er ist als Hundeobmann beim Jagd- und Wildschutzverein Saanenland für die Ausbildung jagdlich geführter Hunde zuständig und nimmt sich trotz Jagdbeginn viel Zeit, die Abläufe der Übungen, die Herausforderungen und die Einsatzmöglichkeiten zu verdeutlichen.

Dominique Kurt hat schon eine Reihe Jagdhunde auf dem Weg zur Prüfung begleitet, ob nun zur Gehorsamsprüfung als Grundlage oder zur Schweisshundeprüfung als Spezialisierung.

Allerlei Jagdhunde
Er hat selbst einen Jagdhund daheim. Ein Rüde der Rasse kleiner Münsterländer, ein Vorstehhund. Die Ausbildungen der Jagdhunde richten sich nach den jeweiligen Einsatzgebieten. Während der Vorstehhund den Jäger auf das versteckte Wild eher lautlos und durch Körpersprache aufmerksam machen soll, scheucht der Stöberhund das Wild nach Auftrag mit lautem Gebell auf und macht es sichtbar.

Der Schweisshund gilt als Spezialist unter den Jagdhunden. Es gibt Rassen, die ausgesprochen geeignet sind für diese Aufgabe. Doch auch Vorstehhunde und Stöberhunde können für den Einsatz als Schweisshunde ausgebildet werden. Die Aufgabe des Schweisshundes ist es, beschossenes oder verletztes Wild möglichst schnell anhand des Schweisses oder zurückgelassener Fellbündel zu finden. Die grosse Herausforderung ist dabei, sich von der Fährte nicht abbringen zu lassen, weder von anderen Hunden noch von fremden Düften.

Frage der Grundlage
Den Hund auszubilden und dann jagdlich zu führen, nimmt viel Zeit in Anspruch. Hinzu kommt, dass der Hund mit den drei Monaten Jagdsaison nicht zufrieden gestellt ist. «Jeder Hund muss auch in den übrigen neun Monaten regelmässig trainiert und gefordert werden, sonst gehen gelernte Muster wieder verloren», weiss Dominique Kurt.

Noch bevor Hund und Halter die Schweisshundeprüfung angehen können, muss der Hund die Gehorsamsprüfung bestehen. Dazu gehört, dass der Vierbeiner auf Ruf zum Halter zurückkehrt (Appell), sich vom Schuss nicht beunruhigen lässt (Schussruhe) und an der Leine den Weg des Herrchens und nicht etwa seinen eigenen geht (Fussoder Stangenlaufen).

Im Kanton Bern können Hunde bis zum Alter von drei Jahren diesen Leistungsnachweis erbringen. Ist diese Hürde genommen, kann die Ausbildung zum Schweisshund beginnen. Einzige Voraussetzung ist die Zugehörigkeit zu einer der deklarierten Jagdhunderassen. «Es sind die Instinkte dieser Rassen, die uns Jägern helfen. Rassen, die als Hütehunde oder Haus- und Hofhunde gehalten werden, sind zu sehr auf den Menschen eingestellt. «Das Interesse dieser Hunde, eine Spur zu verfolgen, ist weniger ausgebildet.»

Auf dem Weg zur Spezialisierung
Aber wie lernt nun ein Hund, genau dem Tier zu folgen, das vermeintlich beschossen und verletzt die Flucht angetreten hat? Sich bei so vielen verheissungsvollen Gerüchen, die daneben noch im Gelände verteilt sind, auf genau diesen einen konzentrieren zu können? Die Übungen in der Schweisshundeausbildung basieren auf dem Belohnungsprinzip. «Am Anfang der Ausbildung schleifst Du zum Beispiel eine Cervelat durch den Garten», beschreibt der Hundeobmann seine eigene Ausbildungserfahrung. «Am Ende der Strecke gibt es Gudelis.» Das ist nicht ganz unwesentlich, denn würde der Hund mit der Wurst belohnt, wäre die Botschaft für ihn, später das aufgespürte Wild für sich beanspruchen zu dürfen. Später dann habe er die Cervelat durch die Decke eines Wildtieres ersetzt. Sobald der Hund das Ziel aufgespürt hat, ist er mit einem Leckerli belohnt worden. «Wichtig ist es, dem Hund zu Beginn Erfolgserlebnisse zu verschaffen.» Das ist nur möglich, wenn die Strecken der Fährten anfangs eher kurz gehalten werden. An der Prüfung müssen die Hunde über 500 Meter auf der Fährte laufen, immer der Nase und nur dem einen Duft nach.

Eine gestellte Situation
Dominique Kurt führt mit den interessierten Jägern und deren Schützlingen rund zwölf Übungen pro Jahr durch. Mit dem während der Jagdsaison gesammelten Blut wird am Vorabend einer Übung eine Fährte durch den Wald gelegt. «Einige wenige Spritzer verteilen wir auf einer bestimmten Strecke.»

Um die Hunde nicht mit dem Eigengeruch des Jägers zu langweilen, werden für den Gang über den Waldboden sogenannte Fährtenschuhe eingesetzt. Der in der Sohle dieses Schuhs fixierte Fuss eines Wildtiers verstärkt die Fährte zusätzlich zum Schweiss.

Diese Übungen reichen jedoch in der Regel nicht, um den Hund ausreichend auf die Prüfung vorzubereiten. «Es liegt in der Verantwortung des Hundehalters, den Hund immer wieder zu fordern und Nachsuchsituationen zu kreieren.» Mit anderen Worten: Ohne Hausaufgabe wirds schwierig.

Erstaunlich sei, dass viele Hunde den Unterschied zwischen Übung und tatsächlicher Nachsuche erkennen. Somit könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob der Hund bei der Übung tatsächlich dem Schweiss oder dem Eigengeruch des Menschen folgt. «Sicher ist, dass der Hund bei einer echten Nachsuche der Spur viel entschlossener folgt als bei der Übung. Die Übung bleibt nun mal eine nachgestellte Situation, bei der am Ende ein Leckerli erwartet werden darf.»

Von Gesetzes wegen
Im Kanton Bern organisiert der Bernische Jagdverband die Gehorsamsprüfung in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Jagdvereinen, die es im Kanton gibt. Im besten Fall können Gehorsams- und Schweisshundeprüfung im gleichen Jahr absolviert werden.

Die fertig ausgebildeten und erfolgreich geprüften Schweisshunde – und nur sie – stehen für die zeit- und fachgerechte Nachsuche zur Verfügung. «Im Kanton Bern gibt es eine Nachsucheorganisation, in der sich Schweisshundeführer organisiert haben.» Im Saanenland sind es drei Jäger mit ihren Hunden, unter ihnen auch Dominique Kurt, und der Wildhüter der Region, die für die Nachsuche auf Abruf bereitstehen.

Jeder Jäger und jede Jägerin ist gesetzlich und hoffentlich auch ethisch verpflichtet, jedes angeschossene Tier nachzusuchen, bis es gefunden ist.


KLEINES LEXIKON DER JAGDHUNDEHALTUNG

Schweiss: weidmännische Bezeichnung des Blutes der Wildtiere.
Fährte: Spur, die das Wild beim Durchzug am Boden hinterlässt
Decke: Fell und Haut des Hochwilds
Schale: Huf des Reh-, Gams-, Damund Rotwilds, daher auch der Begriff Schalenwild.
Jagdhund: jagdlich geführter Hund nach bestandener Gehorsamsprüfung. Unterschieden wird zwischen Vorstehenden, Stöberhunden, Apportierhunden und Erdhunden.
Schweisshund: darf nur nach bestandener Schweisshundeprüfung eingesetzt werden.

JENNY STERCHI


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