Ein redseliges Flügelhorn, ein tanzendes Mädchen und ein Glas Wein
04.04.2022 Konzert, Kultur, Tradition, Saanenland, Vereine, SchönriedDie Brass Band «Harmonie» Saanen lud zum Frühlingskonzert und überraschte mit vielen Emotionen.
BLANCA BURRI
Stephan Kunz eröffnete das Brassbandkonzert in der Mehrzweckhalle in Schönried mit einem sanften Eufonium. Im Stück «Horizon» blickte das Soloinstrument, wie es der Titel verspricht, ins Nimmerland zwischen Himmel und Erde, getragen vom ganzen Orchester unter der Leitung des Saaners Michael Bach. Dieser setzte bei der Stückwahl bewusst auf melodiöse Stücke, wie er sagte: «Die Stücke sollen Musiker:innen und Publikum begeistern.»
Auch das zweite Stück mit Solistin Liliana Matos begeisterte. Die Posaunistin zog die rund 120 Zuhörer:innen mit dem Klassiker «Fantasy for Trombone» ins Filmambiente. Mal schwelgend, mal verspielt – typisch Brass halt. Da fehlte auch der Blumenstrauss für die Solistin nicht, der von einem Bandkollegen aus dem Hut gezaubert wurde.
Emotionen und eine Träne
Michael Bach machte keinen Hehl daraus, dass die vergangenen zwei Jahre für die Brassfamilie keine einfachen gewesen waren: «Im Dorfverein bin ich musikalisch zu Hause. Nicht nur die Musik, sondern auch die Geselligkeit und die langjährigen Bekannten haben in der Pandemie gefehlt. Jetzt schätze ich das Zusammensein umso mehr.»
Mit der Melodie drücke ein Musiker immer auch seine Emotionen aus – Freud und Leid, Licht und Schatten. Es sei Bach wichtig, an den Konzerten beide Seiten zu zeigen und er erhob den Dirigentenstab zum Stück «Chiquilin de Bachin», einem Tangowalzer von Astor Piazolla, der in Argentinien spielt, und den Gegensatz von Arm und Reich zum Thema macht. Dass Bach dazu einen besonderen Zugang hat, war unüberhörbar. Die melodramatischen Klänge, das Wechselspiel zwischen zart und rau erzeugte sogar bei gestandenen Zuhörern Gänsehaut. Dass dazu ein kleines Mädchen aus der ersten Reihe im rosa Röcklein unbekümmert tanzte, machte den Moment nicht weniger berührend. Manch einer mochte sich denken: «So ist das Leben, Freud und Leid liegen so nah beieinander.»
Traurig ging es auch im zweiten Teil weiter. Des verstorbenen Mitglieds und Bandveterans Samuel Matti wurde musikalisch gedacht. Vorgängig sagte Präsidentin Sandra Jost, die Brassfamilie sei tief bewegt davon, dass er vor wenigen Monaten nach kurzer Krankheit verstorben sei. Er hinterlasse eine grosse Lücke. Sie zitierte den Songtext des «Patent Ochsner»-Songs «Für immer uf di»: «Es Glas uf d’Liebi und eis uf z’voue Läbe». Während des emotional aufgeladenen Stücks schien die Welt für einen Moment stehen zu bleiben.
Noch keine 40, aber schon Veteran
Zu besonderen Ehren kam Dirigent Michael Bach wegen seiner langjährigen Mitgliedschaft. Präsidentin Sandra Jost gratulierte ihm zum kantonalen Veteranen, also mehr als 30 Jahre Mitgliedschaft in der Brassband und würdigte auch seine 15 Jahre als Dirigent. «Er trug fast noch Windeln, als er bei uns Mitglied wurde», witzelte sie. Und er antwortete verschmitzt: «Jetzt bin ich noch keine 40 und schon Veteran.» Michael Bach führte dieses Jahr selbst durchs Konzert. «Da dieses Amt immer sehr begehrt ist, und ich nun wirklich eine lange Pause hatte, mache ich das gerne», meinte er ironisch. Wenn er von den Stücken sprach, personifizierte er die Instrumente kurzerhand. Er kündigte das redselige Flügelhorn an, und lachte, als er erklärte, damit nicht die Musikerin Esther Oberholzer zu meinen, die es spiele.
Den offiziellen Teil des Konzerts beendete die Band mit dem Leitmotiv des Kinofilms «The Flintstones» (1994), der auf einer Zeichentrickfilmserie basiert und deshalb wohl vielen bekannt ist. Der Ohrwurm gab der Schreibenden auch am Sonntagmorgen noch den Takt an.
Fotoalbum: anzeiger.be/ brassband-2022