Ruth Oehrli-Pekoll ist die erste Gemeindepräsidentin

  23.11.2021 Lauenen

Lauenen hat am Samstag Zeichen gesetzt: Die Gemeinde hat ab 2022 mit Ruth Oehrli-Pekoll die erste Gemeinde(rats)präsidentin im Saanenland. Und sie hat als erste Gemeinde die Konsultativabstimmung zum Detailprojekt «Gesundheit Simme Saanen» mit einem Spital in Zweisimmen bejaht und höhere Beiträge für Gstaad Saanenland Tourismus und Gstaad Marketing gesprochen.

ANITA MOSER
76 Stimmberechtigte (13,5%) nahmen am Samstag an der letzten von Jörg Trachsel geleiteten Gemeindeversammlung teil. Für seine Nachfolge standen drei Namen zur Auswahl. Aber sowohl Vizepräsident Pascal Bangerter als auch Gemeinderat Serge Jungi baten die Anwesenden, ihren Namen nicht auf den Stimmzettel zu schreiben. Dies aus beruflichen und privaten Gründen und «weil eine fähige Frau zur Auswahl steht und wir mit der ersten Frau als Gemeindepräsidentin Geschichte schreiben können», so Jungi. Damit war der Weg frei für die erste Frau an der Spitze der Gemeinde. Mit 67 Stimmen wurde Ruth Oehrli-Pekoll im ersten Wahlgang als Gemeinde- und Gemeinderatspräsidentin gewählt. Mit bewegter Stimme nahm sie die Wahl an. Sie habe die letzte Zeit nicht wahnsinnig gut geschlafen. «Ich bin mir bewusst, was auf mich zukommt», sagte sie im Hinblick auf ihre acht Jahre Erfahrung im Gemeinderat. Seither sind drei Jahre vergangen und sie habe zu 99 Prozent nur das Positive und ganz lustige Momente in Erinnerung. «Ich hoffe, dass es in diese Richtung weitergeht», so Oehrli.

Silver Hauswirth neu im Rat
Für den wegen Amtszeitbeschränkung zurücktretenden Walter Reichenbach wurde Landwirt Silver Hauswirth im zweiten Wahlgang mit 46 Stimmen gewählt. Die beiden Neugewählten treten ihr Amt am 1. Januar 2022 an. Die Ressortverteilung erfolgt Anfang Jahr.

Er sei froh, dass sich Leute zur Verfügung stellten, «am Charli zu ziehen», betonte Jörg Trachsel. «Das bedeutet, dass wir auch in Zukunft eine eigenständige Gemeinde bleiben können.»

Erstmals drei Frauen im Rat
Die Frauen sind seit 2003 im Gemeinderat vertreten – bis auf zwei Jahre. 2019 und 2020 war der Gemeinderat ein reines Männergremium. 2021 schafften es auf Anhieb erneut zwei Frauen in den Rat und mit der Wahl von Ruth Oehrli-Pekoll als Präsidentin nehmen ab 2022 zum ersten Mal drei Frauen Einsitz in der Lauener Exekutive. Der Gemeinderat setzt sich ab 2022 wie folgt zusammen: Ruth Oehrli (Gemeinde- und Gemeinderatspräsidentin, neu), Daniela Addor, Pascal Bangerter, Serge Jungi, Stephan Perreten, Andreas Reichenbach, Claudia Ryter, Kurt von Siebenthal und Silver Hauswirth (neu).

Ja zur Konsultativabstimmung
«Soll der Gesundheitscampus Simme Saane mit einem Spital in Zweisimmen vertieft erarbeitet und bis spätestens Ende 2022 in einer verbindlichen Volksabstimmung vorgelegt werden?» Diese Frage wird sämtlichen Gemeinden im Verwaltungskreis Obersimmental-Saanen in einer Konsultativabstimmung vorgelegt. Die Gemeinde Lauenen hat diese Frage – nach Erläuterungen von Alexander Gäumann (Geschäftsführer der GSS) und Matthias Brunner (Verwaltungsratsmitglied der GSS) – mit einem einstimmigen Ja beantwortet.

Kredite für Tourismus genehmigt
Für Gstaad Marketing GmbH (GM) und Gstaad Saanenland Tourismus (GST) lagen Anträge über insgesamt 352’500 Franken für die nächsten drei Jahre vor. Bisher belief sich der jährliche Beitrag für GM auf 82’000 Franken. Die GM ersuchte um eine Erhöhung von 10’000 Franken. Die Strategie der Destination Gstaad setze sich zum Ziel, mittelfristig die Vor- und Nachsaison zu verlängern, erklärte Vizepräsident Pascal Bangerter. Konkret soll der Herbst stärker entwickelt werden. Mit grossem Mehr und einer Gegenstimme sowie ein paar Enthaltungen genehmigte die Versammlung den jährlichen Verpflichtungskredit von 82’500 Franken plus zusätzlich jährlich 10’000 Franken für den «Herbstpush».

Auch GST hat um zusätzliche Mittel ersucht. Die Gemeinde Lauenen arbeite gut mit GST zusammen, betonte Pascal Bangerter. Vieles habe man realisieren können, aber es gebe noch Potenzial. «Wichtig ist, dass wir als Destination konkurrenzfähig bleiben, denn die Konkurrenz schläft nicht», warb Bangerter. Ohne Gegenstimme genehmigte die Versammlung den jährlichen Verpflichtungskredit von 25’000 Franken (doppelt so viel wie bisher).

Die bewilligten Beiträge werden den beiden Organisationen für die nächsten drei Jahre (2022 bis 2024) ausgerichtet.

Wohnhaus Spittel kann renoviert werden
Das gemeindeeigene Dreifamilienhaus Spittel ist renovationsbedürftig, die letzte Gesamtsanierung sei in den 1980er-Jahren erfolgt, erläuterte Gemeinderätin Daniela Addor. Die Renovationskosten werden auf 280’000 Franken veranschlagt. Ohne Wortmeldung wurde der Kredit gesprochen.

Ebenfalls einstimmig wurde der beantragte Verpflichtungskredit über 100’000 Franken für den Neubau der Trinkwasserleitung Trüttli bewilligt. Eine erste Etappe im obersten Teil der Trüttlistrasse sei im Jahr 2020 realisiert worden, erläuterte Gemeinderat Serge Jungi. Eine zweite Etappe soll im Jahr 2022 ausgeführt werden. In diesem Bereich befinde sich auch die älteste Eternit-Trinkwasserleitung der Gemeinde, so Jungi. Da diese Leitung ihre Lebensdauer bald erreicht habe, dränge sich ein Ersatz gleichzeitig mit dem Bau der Schmutz- und Regenwasserleitungen der Genossenschaft Ferienhauszone Trüttli auf.

Budget 2022 rechnet mit einem Defizit
Das Budget 2022 rechnet bei einem Ertrag von 5,136 Millionen Franken und einem Aufwand von 5,265 Millionen Franken mit einem Defizit von knapp 130’000 Franken. «Während das Ergebnis des Steuerhaushalts ausgeglichen sei, weise der Gebührenhaushalt (Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung) ein Defizit von 128\\'895 Franken auf, erklärte Finanzverwalter Hansueli Perreten. In der Abwasserentsorgung dränge sich eine Gebührenüberprüfung auf, so Perreten.

Im nächsten Jahr sind Investitionen von rund 1,4 Millionen Franken geplant. Davon fallen 757’000 Franken beim Steuerhaushalt an (für die Sanierung der Turnhalle sowie Sanierungen im Strassenwesen), 568’000 Franken bei der Wasserversorgung (für den Anschluss des Grundwasserpumpwerks Enge und den Leitungsersatz Trüttli) und 101’000 Franken bei der Abwasserentsorgung (Beitrag an die Sanierung ARA Saanen).

Das von der Gemeindeversammlung einstimmig genehmigte Budget 2022 basiert weiterhin auf einer Steueranlage von 1,7 Einheiten und auf unveränderten Gebührenansätzen.

Verabschiedung
Mit herzlichen Dankesworten, langanhaltendem Applaus und einem Geschenk wurden Gemeinde(rats)präsident Jörg Trachsel und Gemeinderat Walter Reichenbach verabschiedet.

Nach gut zwei Stunden konnte der Vorsitzende die Versammlung schliessen. Er führte auch durch seine letzte Versammlung gewohnt kompetent und mit einer Prise Witz. www.lauenen.ch


RUTH OEHRLI-PEKOLL: DIE ERSTE GEMEINDE(RATS)PRÄSIDENTIN

Ruth Oehrli-Pekoll ist aufgewachsen im österreichischen Schladming. Der Liebe wegen ist sie 1988 ins Saanenland gezogen, seit 1991 wohnt sie in Lauenen. «Lauenen ist meine zweite Heimat», sagt die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und zweifache Grossmutter. Im Winter ist die gelernte Schneiderin als Skilehrerin tätig und arbeitet von Frühjahr bis Herbst im Pro Shop des Golfclubs Gstaad-Saanenland. Für ihren angestammten Beruf bleibe ihr momentan wenig Zeit.

Acht Jahre im Gemeinderat
Ruth Oehrli-Pekoll war bereits von 2011 bis 2018 Mitglied im Gemeinderat. Schon zwei Jahre nach ihrer Wahl sei das Präsidium zur Diskussion gestanden. «Damals traute ich mir das Amt nicht zu, ich fühlte mich zu wenig sicher», blickt die 57-Jährige zurück. Jetzt stellt sie sich der Aufgabe. Sie habe in den acht Jahren im Gemeinderat viel gelernt. «Ich habe aber grossen Respekt vor der Aufgabe. Ich weiss, was auf mich zukommt», betont die angehende «höchste Lauenerin».

Politik habe sie in ihrer Jugend nicht interessiert. Aber wenn es etwas zu sagen galt, sei sie hingestanden und nicht etwa der Klassensprecher oder der Schulsprecher. «Ich habe keine Angst, hinzustehen, solange es für mich selber stimmt, wenn ich dahinterstehen kann.»

Engagieren statt kritisieren
Ruth Oehrli-Pekoll ist eine Frau, die anpackt, sich engagiert. «Das gefällt mir», betont sie. «Engagieren statt kritisieren, das war meine Motivation, im Gemeinderat mitzutun.» Aber sie ist auch selbstkritisch. Sie sei nicht ein Mensch, der gut delegieren könne.«Wenn etwas schnell gehen muss, mache ich es lieber selber.» Delegieren nun sei etwas, das sie noch lernen müsse, lernen wolle.

Respekt sei ihr wichtig, betont Ruth Oehrli-Pekoll. Respekt gegenüber den Mitmenschen, der Natur. «Und ebenfalls wichtig ist ein gutes Grundvertrauen in sich selber.»

ANITA MOSER

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote