Es geschah 50 Tage nach Ostern
21.05.2021 TraditionWir werden am nächsten Sonntag das Fest von Pfingsten feiern. Pfingsten ist das Fest, das in der reformierten Tradition nicht allzu stark betont wird, obwohl der Heilige Geist eine der drei Erscheinungsformen ist, unter denen Gott sich zeigen kann. Die Ausgiessung des Heiligen Geistes erlebten die damals Anwesenden wie die Ausbreitung von Flammen des Feuers. Trotzdem steht die reformierte Theologie allen Äusserlichkeiten eher skeptisch gegenüber. Wir behalten unseren Glauben lieber im Innern, im Herzen, im Gewissen, in unserem ganz privaten Denken. Sinnliche und leidenschaftliche Erfahrungen stehen unter dem Verdacht, vom Wesentlichen abzulenken und eine Selbstinszenierung zu sein oder gar ein Abfall ins Heidentum. Doch das ist falsch. Der Heilige Geist kommt mit sich selber nicht aus. Er lässt sich nicht in die Innerlichkeit verbannen. Er will nach aussen dringen und Gestalt annehmen. Das ist wie bei einer Partitur, die Musik werden will. Wie ein gutes Projekt, das umgesetzt werden will. Zudem steht diese Innerlichkeit, dieser Glaube ohne sinnliche, ohne körperliche Erfahrung in krassem Gegensatz zu unserem menschlichen Fühlen und Wahrnehmen. Der Mensch sucht und sehnt sich nach sinnlichen Erlebnissen, die voller Leidenschaft sind und er geniesst sie. Er wird von ihnen magisch angezogen und verzaubert. Gott hat der Welt Form, Kraft, Klang, Farbe, Lebendigkeit geschenkt, damit sie von uns leiblich als lebendige Stimmen des Evangeliums erfahrbar ist. Und er bedient sich der von ihm geschaffenen sinnlichen Welt, wenn er sich uns zu erkennen geben will. In dieser Form stiftet Gott für den Menschen Schöpfungsgemeinschaft, indem sich der Mensch kreativ und mitfeiernd in dieses Zusammenspiel einbringen kann. Der Geist will die Musik, die Form, die Aufführung. Er will sich inszenieren. Um sich inszenieren zu können, braucht es einen Ort, ein Haus, einen Tisch und Menschen. Jeder Glaube muss den Schritt von innen nach aussen tun, muss Gestalt annehmen. Dies geschieht in jedem Kuchen, der gebacken wird. In jeder Suppe, in jedem Mittagessen, in jedem Besuch, in jeder Glückwunschkarte, in jedem Gesang, in jedem Spiel. Nicht zufällig wird die Weisheit Gottes in der Bibel als ein vor Gott spielendes Kind dargestellt. An ihm hatte Gott seine Freude, es ist sein Liebling. Denn die Weisheit hat nichts anderes im Sinn als die Herrlichkeit Gottes in der Welt darzustellen. Sie fordert uns auf mitzuspielen, sich mitzufreuen, mitzufeiern. Sie fordert uns auf, die Spielregeln des Lebens zu erforschen, neue Möglichkeiten herauszuspielen, sein Haus zu bauen und zu schmücken.
KORNELIA FRITZ