Die Gemeinde wehrte sich erfolglos gegen die Schliessung der Poststelle St. Stephan

  06.03.2020 Obersimmental

Zur Gewinnmaximierung schliesst die Post die Poststelle St. Stephan und baut zum Leidwesen der Bevölkerung den Service public ab. Zurück bleibt ein Hausservice mit reduzierten Dienstleistungen und eine Schwächung des Dienstleistungszentrums Nageldach. Damit ist der Gemeinderat von St. Stephan nicht einverstanden.

Im Jahr 2017 wehrte sich der Gemeinderat erfolgreich bei der Eidgenössischen Postkommission (PostCom) gegen die Schliessung der Poststelle St. Stephan. Mit Schreiben vom 12. März 2019 eröffnete die Post, dass die zweijährige Frist abgelaufen sei und die Poststelle St. Stephan geschlossen und durch einen Hausservice abgelöst werden soll. Obwohl der Gemeinderat wiederum Beschwerde erhob, stützte die PostCom diesmal das Vorgehen der Post. Umgehend nutzte die Post ihre nunmehr alleinige unternehmerische Kompetenz und wird die Poststelle St. Stephan Mitte Mai 2020 schliessen.

Klare Strategie
Die Strategie der Post ist klar. Zuerst werden die Öffnungszeiten der Poststelle schleichend reduziert, um danach mit rückläufigen Frequenzen die Schliessung begründen zu können. Die Post schliesst eine Poststelle nach der anderen und präsentiert jeweils eine «Anschlusslösung». Die Ersatzangebote Postagentur und Hausservice stellen einen klaren Abbau des Service public dar. Die Grundversorgung mit Postdiensten und Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs für die Bevölkerung wird erheblich verschlechtert. Postagenturen ist oft kein Erfolg beschieden. Bei Postagenturen können nämlich keine Einzahlungen mit Bargeld, keine übergrossen Pakete und nur beschränkt Massensendungen aufgegeben werden. Zudem ist der Aufwand für die Betreiber einer Postagentur, wie die Gemeinde Leubringen aufzeigte, weit höher als die Entschädigung, welche die Post bezahlt. Und plötzlich und oft nur kurze Zeit später wird das Angebot der «Anschlusslösung» aller Schönrederei zum Trotz reduziert oder ganz geschlossen. Die Geprellte ist die Bevölkerung.

Hausservice untauglich für Berufstätige
Beim Hausservice ist in vielen Gegenden dieselbe Entwicklung zu beobachten. Am Anfang kam der Pöstler an sechs Tagen, auf einmal nur noch zwei- oder dreimal in der Woche. Viele Einwohner arbeiten und können tagsüber ihre Briefe und Pakete nicht an ihrer Haustüre aufgeben oder Einzahlungen tätigen. Für Berufstätige, die während der Tour des Briefträgers abwesend sind, ist der Hausservice untauglich. Sie müssen zum Abholen von eingeschriebenen Sendungen die nächste noch existierende Poststelle aufsuchen. Auch für die übrigen Postgeschäfte brauchen sie eine Poststelle. Obwohl in Matten ein Hausservice eingeführt wurde, erledigen viele Bewohner, Gäste und Gewerbetreibende ihre Postgeschäfte bei der Poststelle St. Stephan. Wegen der im Vergleich zu Städten und Agglomerationen bescheidenen ÖV-Erschliessung werden nach der Schliessung unserer Poststelle Postbesuche für nicht motorisierte Postkunden zu einer halben «Tagreise», die zudem auch noch teuer ist. Darüber, wie der Hausservice funktionieren soll und welche Haushalte damit überhaupt bedient werden sollen, hat die Post im Schreiben mit der Ankündigung der Schliessung der Poststelle kein Wort verloren. Das Dienstleitungszentrum Nageldach mit der Poststelle und der Raiffeisenbank ist ein Lebensnerv der Gemeinde. Mit einer Schliessung der Poststelle werden dem erst in den Neunzigerjahren erbauten Dienstleistungszentrum Nageldach die Zukunftsperspektiven geraubt. Es ist zu befürchten, dass der Abbau der Postdienstleistungen schleichend weitergehen wird. Wichtig ist, dass sich nicht nur die Gemeinden, sondern auch die Postkunden gegen jeglichen weiteren Abbau, wie beispielsweise gegen Gemeinschaftsbriefkästen anstatt Hauszustellung und Verschiebung von Briefkästen vom Wohnhaus zur Strasse, wehren.

GEMEINDERAT ST. STEPHAN


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