«Ein guter Wein macht frei und ist nur aus Trauben gemacht»
04.06.2019 GstaadAm Samstag, 18. Mai nahmen die Weinfreunde Gstaad-Saanenland an einer Sonderveranstaltung mit einer Degustation von Weinen aus dem Languedoc, Frankreich, im Restaurant Rialto in Gstaad teil.
Von der Urgeschichte bis heute war das Languedoc-Roussillon immer ein Durchzugsgebiet. Die Mittelmeerküste wurde in der Antike durch die Griechen, Phönizier und Römer bevölkert und später durch die Alemannen, Ostgermanen/Vandalen, Westgoten und auch noch Sarazenen (arabisch-islamischer Volksstamm) erobert. Im Mittelalter war es das Zentrum der Katharer, auch als Anhänger einer radikalen Christenbewegung bekannt. Die Römer bauten hier die sogenannte «Via Domitia», die erste Römerstrasse in Gallien, als Landweg zwischen Italien und Spanien. Hier erreichte die Romanik ihre Blüte (Saint Martin du Canigou) und triumphierte die Gotik (Kathedrale von Narbonne). Der Barock zeigte sich alsdann vor allem in Altarbildern der katalonischen Kirchen.
Die Degustation der Weinfreunde Gstaad-Saanenland vom 18. Mai stand ganz im Zeichen vom Languedoc, einem der renommierten Weinanbaugebiete von Frankreich. Es ist die allgemeine Bezeichnung für den Süden der Nation und auch die grösste Rebbauzone des Landes. Die Rebfläche beträgt ca 225’000 Hektar, somit ist sie fast drei Mal so gross wie die gesamte Anbaufläche von Deutschland. Die Region befindet sich in Okzitanien (Zusammenschluss von Languedoc/Roussillon und Midi-Pyrénées). Bekannt ist aber bei den Weinfreunden vor allem der Begriff und der Name Languedoc-Roussillon.
Hier gibt es eigentlich keinen richtig grossen Wein. Allzuoft wurden die Vorgaben für die «Appellation d’Origine Contrôlée» missachtet und die Produkte zu Landweinen reduziert. Mit Erfolg begann man dann aber mit der Herstellung von sortenreinen Weinen nach den heutigen neuen Methoden. Languedoc-Roussillon ist ein grossartiges Weingebiet mit südländischem Wetter, warm, regenarm, luftig und sehr heiter. Die Qualität der Weine wurde kontinuierlich verbessert mit niedrig gehaltenen Ernten pro Hektar und den neuesten Produktionstechniken. Das Gebiet dehnt sich aus von Nîmes im Osten bis an die Grenze von Spanien/Katalonien im Westen. Languedoc-Roussillon hat seit 1999 eine AOC-Appellation für seine Rotweine, weshalb fast nur Rotwein angebaut wird. Diese bestehen aus Grenache, Syrah, Mourvèdre, Carignan und Cinsault. Es werden reichlich Weinsorten wie z.B. Schaumweine, stille Weissweine von trocken bis süss, jedoch immer mehr Qualitätsweine hergestellt. Weissweinsorten sind Mauzac, Piquepoul, Clairette, Marsanne und dann auch Chardonnay und Sauvignon Blanc.
Im Languedoc ist die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen ausschliesslich dem Anbau von Oliven und dem Weinbau gewidmet, da diese keine grössflächige Bewässerung benötigen. Der Wert der Anbaufläche pro Hektar beträgt hier ca. 8 bis 12’000 Euro – zum Vergleich: Im Burgund sind es 5 bis 6 Mio. Euro für eine Grand-Cru-Lage oder im Bordeaux beim Château Petrus 90 Mio. Euro pro Hektar.
Am Degustationsabend konnten die Weinfreunde einige junge und schöne Weine von einer Winzergeneration mit grossem Potenzial degustieren. Nicht Perfektion, sondern Charakter sind gefragt. Der Geschmack ändert sich, die Weinliebhaber müssen auch nach vorne schauen. Die meisten Weine, bzw. Weingüter, besitzen eine Story, welche uns von Yvan Letzter mit enorm viel Enthusiasmus präsentiert wurde. Sämtliche vorgestellten Weine wurden nach biodynamischen Vorgaben hergestellt. (Pflege der Erde, lebendige Erde, Terroir). Yvan Letzter ist den Weinfreunden bekannt aus seiner Zeit im Restaurant Chesery in Gstaad. Er wurde 2008 Gault&Millau zum Sommelier des Jahres gekürt. Ein richtiger Top-Weinkellner. Er erkennt rasch die Vorliebe seiner Gäste. Niemand ist in dieser Sparte so vortrefflich wie der Könner und Chef aus dem Elsass. Er besitzt ein fast unvorstellbares Wissen in seinem Fach. Hausherr des Rialto ist Manuel Stadelmann, der Küchenchef mit der Auszeichnung Chef de l’Avenir 2016 der Internationalen Akademie der Gastronomie. Ehemals bei Sterneköchen und wohlhabenden Menschen an der Arbeit, heute im Restaurant Rialto in Gstaad mit bereits 14 Punkten bei Gaul&Millau. Das Motto der beiden Gastgeber: herzliche Gastfreundschaft, Authentizität sowie Terroir (echt, lokal, Natur).
Es gibt eine tolle Auswahl von Weinen. Yvan und Manuel unterscheiden zwei Kategorien: Die gemachten Weine sind zwar gut, aber es fehlt die Seele, die Energie und Emotionen. Auf der anderen Seite stehen die Weine, die ähnlich einer Musikpartitur die Noten des Terroirs spielen: Weine, die den Ort, die Landschaft und den Winzer widerspiegeln. Hier stossen wir vor in die Kunst, wahre Gefühle zu schaffen und diese erlebbar zu machen. Ein magisches Glück, an das man sich erinnert. Genau das sollten die Weinfreunde am Degustationsabend wirklich eins zu eins erleben.
Insgesamt 18 Personen waren an diesem Samstagabend anwesend. Yvan Letzter präsentierte den Weinfreunden die diversen Weine und das Essen in kompetenter Art und Weise. Zu den meisten Weinen hatte er eine sehr erfrischende Geschichte über das Gut und dessen Besitzer bereit. Auch zeigte er uns eindrücklich die Wirkung der richtigen Wahl eines Weinglases. Im Rialto benutzt er normalerweise die jederzeit sehr gut wirkenden und präsentierenden Gläser von Riedel. Daneben erhielten wir denselben Wein in einem überaus feinen, mundgeblasenen Bleikristallglas. Den Unterschied bemerkt auch ein absoluter Laie. Das zweite Glas kam mit demselben Wein überall besser an (respektive der Wein). Später wiederholte Yvan Letzter die Geschichte, wobei da das genaue Gegenteil der Fall war: Im Riedel-Glas schmeckte der Wein in allen Belangen eindeutig viel besser!
Der Aperitif wurde an der Bar serviert. Dazu gab es als Amuse-Bouches, verschiedene Häppchen mit Pizza und natürlich den elsässischen Flammkuchen, dünn ausgerollter Boden aus Brotteig. Eine absolute Spezialität, welche den Appetit der Teilnehmer sofort anregte. Der dazu passende Weisswein war ein «Calcinaires» der Domaine Gauby, Jahrgang 2017. Traubensorten sind Muscat, Chardonnay, Macabeu und Vermentino. Anschliessend wechselten wir ins Restaurant, dort erhielten wir als ersten Gang einen «Saumon façon ceviche, citron vert, coraindre et légumes croquants» (roher Lachs an Zitronensauce, leicht, fein und knackig), serviert mit einem weissen Wein, dem Roc d’Anglade Blanc, Trauben: Chenin Blanc, Chardonnay, Grenache Blanc und Gris, aus dem Jahr 2016. Und nun vielleicht der grosse Höhepunkt, nämlich «Le calamar farcis à la vietnamienne, aubergine, navet et poivron, sauce au safran» (Füllung aus Hackfleisch, richtig asiatisch gewürzt), dargereicht mit dem Rotwein Fitou «Retour aux Sources», Mas des Caprices, 2015. Eine Cuvée (Assemblage aus den Traubensorten Carignan, Grenache und Syrah), auf Deutsch auch Verschnitt. Als Hauptspeise präsentierte uns Manuel Stadelmann «La joue de veau cuit 26 heures, purée de carotte et petit pois» oder auch Kalbsbäggli auf gemixter Rüblisauce, farblich wunderbar anzusehen (rot, grün, braun). Das Fleisch ist butterweich, vergeht auf der Zunge, voller Geschmack, eine geschmorte Delikatesse. Der dazu passende Wein aus der Côte de Roussillon: Vieilles Vignes, Clos des Fèes, 2011 von Hervé Bizeul aus der Kleinstadt Vingrau. Die Nachspeise bestand aus «La fraise crémeuse à la menthe, sablé vanille et sorbet fraise-menthe». Einfach himmlisch, intensiver, buttriger Geschmack, auch optisch ein Genuss. Zum Abschluss ein überaus passender Rotwein: Vin de Pays des Côtes Catalanes, Le Soula, Domaine Gerard Gauby et Associés, St. Martin de Fenouillet, Jahrgang 2002.
Und weil der Abend so harmonisch und eindrücklich verlief und alle Teilnehmer begeistert waren, entschloss sich Gastgeber Yvan Letzter, den Weinfreunden noch einen ganz speziellen Wein zu präsentieren – natürlich aus der Karaffe. Schon das Etikett der Flasche verblüffte. Der Name: «Un faune avec son fifre sous les oliviers sauvages», Domaine du Clos des Fèes, Jahrgang 2015, Traubensorten Cabernet Franc und Merlot. Sensationell das Ganze!
Es war ein wundervoller Abend. Der Rahmen war harmonisch, die Gastfreundschaft fabelhaft und tadellos. Dies verdient unsere herzliche Erkenntlichkeit an alle Beteiligten, insbesondere aber an die Gastgeber, Sommelier Yvan Letzter und Küchenchef Manuel Stadelmann.
WEINFREUNDE GSTAAD-SAANENLAND/HANS LIECHTI
Beschreibung der degustierten Weine
Les Calcinaires Blanc, Domaine Gauby, Artisans, Vignerons, 2017, Calce, Vin de Pays, Weisswein, Traubensorten Muscat 50 %, Macabeu 20 %, Chardonnay 30 %, finessenreich, zart, erfrischend, Farbe hellgolden, schmeckt nach gesalzenen Nüssen, Pfirsich und Kräutern, leichte Muskatnote, wenig Zitrusfrüchte und Himbeere, knackig, fruchtig, unaufdringlich, nicht cremig, glasklar, einer der weltbesten Betriebe im Roussillon, Alkoholgehalt 12 %, Preis ca Fr. 25.–. Domaine Roc d’Anglade, 2016, Langlade, Garde, Rémy & Martine Pedreno, vignerons, Vin de Pays, Weisswein, Traubensorten Chenin Blanc 95 %, Grenache blanc 5 %, sehr fruchtig, geringer Ertrag, klare, helle Strohfarbe, frische Aromen von Mango, Ananas, Zitronenschale, weich, sanft, mild, langer Abgang, Haltbarkeit bis 2032, Terroir und Charakter des Winzers bestimmen den Wein, ein begehrter Name im Languedoc, Alkohol 12 %, Preis ca. Fr. 45.–. Fitou «Retour aux Sources», Mas des Caprices, 2015, Mireille et Pierre Mann, Leucate, Rotwein, Traubensorten 50 % Carignan, 30 % Grenache Noir, 20 % Mourvèdre, weiches, sanftes sowie liebliches Tannin (pflanzliche Gerbstoffe), Duft von Brombeeren und Lakritze (Süssholz), feine Nase, schöne rubinrote Farbe, Charakterwein, Haltbarkeit 10 Jahre, sandig übersät mit Kalksteinkieseln (Wärmespeicherung), Alkoholgehalt 14,50 %, Preis ca. Fr. 23.–.
Domaine du Clos des Fées, Vieilles Vignes, 2011, Hervé & Claudine Bizeul, Vingrau, Rotwein, Appellation Côtes-du-Roussillon-Villages, Trauben 50 % Grenache, 35 % Carignan, 15 % Syrah, fruchtig, schwarze Kirschen, milde Säure, geschmeidige Tannine, 92 Punkte Robert Parker, 12 Monate im Eichenfass gelagert, 50 bis 100 Jahre alte Reben, Spitzenwein, erfolgreich, starke Persönlichkeit, heute weltberühmt, Alkoholgehalt 14,50 %, Preis ca. Fr. 32.–. Vin de Pays des Côtes Catalanes, Le Soula, 2002, Gérard Gauby et Associés, Fenouillet, Rotwein (Pyrenäen, nahe Grenze zu Spanien), Traubensorten 40 % Carignan, 20 % Grenache, 20 % Cabernet Sauvignon, 15 % Syrah, frisch, sehr hell, ausdrucksvoll, klares Rubinrot, fruchtig, roter Paprika, erdig, Orangenzesten, Geschmack von Kirschen und Heidelbeeren, genussvoll, reifer Wein, Säure präsent, jung, kräftig, Lagerung 15 Jahre, Alkoholgehalt 14,50 %, Preis ca. Fr. 38.–. «Un Faune avec son Fifre sous les oliviers sauvages», Domaine du Clos des Fées, 2015 (Waldgeist mit Flöte), Rotwein, 80 % Cabernet Franc, 20 % Merlot (klassisch), Vin de Pays des Pyrénées-Orientales, Indication Protégée des Côtes Catalanes, Ausbau in Eiche, Qualität, langer Abgang, leicht salzig, granatrot, reife rote Früchte (Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren), seidiges Tannin, vornehm, Hauch von rotem Paprika, Alkoholgehalt 14.– %, Preis ca. Fr. 49.–.