Rougemont: Widerstand gegen die geplante Deponie
15.01.2019 Pays-d'EnhautROUGEMONT In der Region Saanenland und Pays-d’Enhaut herrscht seit vielen Jahren Deponiemangel. Nun gibt es einen neuen Anlauf, um Aushubmaterial in Rougemont zu lagern. Und schon hagelt es Einsprachen – vorwiegend von Ferienhausbesitzern.
SABINE REBER
André Reichenbach, Gemeindepräsident von Rougemont, steht im Schneetreiben auf dem Gelände L’Ougette ausserhalb des Dorfes, an der Hauptstrasse Richtung Saanen, und zeigt den abschüssigen Hang hinunter. Hier soll das Gelände mit Aushubmaterial aufgeschüttet werden. Der Bach, der traurig durch eine Betonröhre fliesst, würde danach renaturiert und das ganze Gelände naturnah wieder begrünt werden. Reichenbach: «Das ist ein Gewinn für die Landschaft und für die Gemeinde.» In vier bis sechs Jahren soll das Projekt abgeschlossen sein, dann werde man von der Deponie in Rougemont nichts mehr sehen. Und gefährliches Material komme ja hier sowieso nicht hin, sagt der Gemeindepräsident, «wir reden über Aushubmaterial, das heisst Erde, Lehm und Steine. Wo gebaut wird, entsteht halt Aushub. Und der muss irgendwo gelagert werden.»
«Wir müssen eine gute Lösung finden»
Der Standort L’Ougette ausserhalb des Dorfes sei ideal, weil er an der Hauptstrasse liege. Die Lastwagen müssen nicht weit fahren und es muss keine neue Strasse gebaut werden. Heute fahren die meisten Lastwagen mit dem Aushubmaterial aus dem Saanenland und Pays-d’Enhaut bis nach Grandvillard bei Bulle im Freiburgischen hinunter. Denn die bisherige Deponie in Pleinpraz sei längst voll, sagt der Gemeindepräsident, «nun müssen wir eine gute Nachfolgelösung finden. Man kann nicht nur bauen, man muss sich auch um die Abfälle kümmern!»
Nun liegt der Ball beim Kanton
Das sah auch der Gemeinderat von Rougemont so. Er stimmte dem Projekt im Oktober 2018 mit grosser Mehrheit zu. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung über die Gemeinde. Die Gegner der Deponie gründeten die Organisation «Les Amis de Rougemont», und schrieben Einsprachen – 144 Einsprachen kamen zusammen. Diese sind inzwischen alle abgelehnt worden. Nun liegt der Ball beim Kanton Waadt. Wenn er zustimmt, dann können die Gegner das Referendum ergreifen. Gemeindepräsident André Reichenbach rechnet vor: «Für ein Referendum sind in Rougemont rund 90 Unterschriften nötig, was 15 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. Das können aber natürlich nur die Stimmberechtigten unterschreiben.»
Viel Unsinn behauptet
Dem Vernehmen nach befinden sich unter den Opponenten der Deponie zahlreiche Zweitwohnungsbesitzer, die nicht stimmberechtigt sind. Nun haben die Einsprecher einen Anwalt beauftragt und drohen damit, bis vor Bundesgericht zu gehen. Ende November letzten Jahres liessen sie Flyer an alle Haushalte verteilen. Denn ohne die Unterstützung der lokalen Bevölkerung können sie ihr geplantes Referendum vergessen.
Gemeindepräsident Reichenbach sagt: «Da wird Panik geschürt, und vieles wird falsch und total übertrieben dargestellt. Eines ist sicher: Wenn diese Deponie unserer Gemeinde schaden würde, dann wären wir die ersten, die sich wehren würden! Die Gäste kommen wegen der schönen Landschaft zu uns, sie kommen wegen der Ruhe und um sich zu erholen. Wir von der Gemeinde würden ganz sicher nichts unterstützen, was die Natur und die Lebensqualität hier gefährdet!» Überhaupt werde von den Gegnern viel Unsinn behauptet.
Sofort renaturieren
Bauunternehmer Max Moratti erklärt gegenüber dieser Zeitung die praktischen Belange der Deponie. Auf die Behauptung der Gegner, dass dadurch Staub und Dreck im Dorf entstehen, erklärt er: «Sicher sind im Dorf keine Emissionen zu erwarten, denn die Distanz ist zu gross. Und die Lastwagen fahren nur auf Baupisten, damit weder Dreck noch Staub entsteht. Der Lärmpegel überschreitet den bestehenden Strassenlärm nicht.» Auch die Fläche, die auf einem Flyer der Gegner riesig und braun eingezeichnet wurde, sei total übertrieben, sagt Moratti. Geplant sei, dass die Deponie in vier Etappen aufgefüllt werde. Moratti: «Es wird höchstens ein Viertel der Fläche auf einmal nicht grün sein. Sobald ein Stück gefüllt ist, wird es sofort renaturiert.»
Was den Gemeindepräsidenten und den Bauunternehmer aber am meisten wundert, ist der Egoismus gewisser Eigentümer, die nun Opposition machen. Max Moratti bringt es auf den Punkt: «Diese Leute verursachten beim Bau ihrer Häuser auch Aushub und Bauabfälle, sie haben ihre Häuser auch unterkellert. Und nun wehren sie sich gegen die Entsorgung. Aber das Aushubmaterial ist nun mal vorhanden. Das muss irgendwo entsorgt werden.»
Und dabei gehe man immer so umweltschonend und nachhaltig wie möglich vor. Moratti erläutert: «In der Aushubwaschanlage Dorfrütti wird ein Teil des anfallenden Aushubmaterials recycliert und zu Betonkies verarbeitet.» Dennoch bleiben am Schluss noch Erde, lehmiges Material und gewisse Steine übrig, die man nicht weiterverwenden kann. Dieses Material muss in einer Deponie abgelagert werden, und zwar möglichst lokal. Moratti: «Wir wollen aus Umwelt- und Kostengründen unnötige Transporte vermeiden. Das ist im Interesse der Öffentlichkeit.»