Doppelpunkt 21 – Einladung zum grossen Kirchenfest zur Vision

  25.08.2017 Kirche

Am Sonntag, 10. September 2017, feiern die reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn ein grosses Fest: das Kirchenfest «Doppelpunkt 21» zur Vision Kirche 21. Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sind herzlich eingeladen, an diesem einmaligen Kirchenfest teilzunehmen und mitzufeiern.

Predigende aus aller Welt deuten sie in zeitgleichen Gottesdiensten mit unterschiedlicher theologischer Ausrichtung und unterschiedlichem liturgischen Stil. Im grossen Festakt auf dem Bundesplatz mit einem Chor der 1000 Stimmen wird die Vision feierlich verankert. Der Doppelpunkt 21 bildet den Abschluss des Visionsfindungsprozesses und den Anfang der Umsetzung – sodass die Vision Kirche 21 zu leben beginnt.

Ach, ach, werden Sie denken, liebe Leserin, lieber Leser. Die reformierte Landeskirche feiert sich selber. Hätten die denn nichts Wichtigeres zu tun? Zum Beispiel wieder mehr auf die Menschen eingehen (für die sie da sein soll) … einen Schritt ins 21. Jahrhundert machen …

Ich muss Ihnen gestehen: Ich war auch sehr skeptisch. Da wurde über Jahre irgendein Prozess verfolgt, um Fragen zu stellen und Antworten zu finden … Eigentlich bin ich nur an die Präsentation der Vision in Zweisimmen gefahren, weil meine Freundin – eine begabte Musikerin – diese Konferenzen auf ihrem Klavier begleitet hat. Ich sass also dort im Saal – und plötzlich hat es mich gepackt. Die Vision, die über drei Jahre und mithilfe von 5748 durch Kirchenmitglieder gestellten Fragen eruiert worden ist, die hat was! Sie berührt mich und darum möchte ich Sie einladen, Ihre ganz eigene Interpretation zu finden:

Die Vision: Von Gott bewegt – den Menschen verpflichtet
Am Anfang stand eine Frage: Wie können wir als Kirche gemeinsam Zukunft gestalten? Bald kamen weitere Fragen hinzu und am Schluss fand sich die Vision. Sie gibt die Richtung an, in welche unsere Kirche gehen soll. In ihr steckt Dynamik und Bewegung: Es ist Gott, der die Kirche bewegt. Eine Bewegung zum Glauben, Hoffen und Lieben und wer von dieser Bewegung ergriffen wird, wird selber bewegt von der Frage nach Gott. Und wer von Gott bewegt wird, der bewegt sich auf die Menschen zu und befreit sich aus seiner Rotation um sich selber.

Eine von Gott bewegte Kirche kann deshalb nur «Kirche für die Anderen» sein (Dietrich Bonhoeffer).

Von Gott bewegt – den Menschen verpflichtet

Es gibt zwei Möglichkeiten, den ersten Teil der Vision zu lesen: Gott bewegt uns – er bringt uns auf den Weg – er hält mit uns Gemeinschaft. Oder: Wir sind von Gott bewegt – wir leben im Glauben – wir versuchen unser Leben nach Gottes Willen zu gestalten.

Der zweite Teil der Vision hindert uns zugleich daran, uns als Kirche aus der Welt zu verabschieden, unser Wächteramt gegenüber den staatlichen Obrigkeiten zu vernachlässigen und zu sagen: «Wir kümmern uns um uns und unseren Verein und was die Welt da draussen macht, kann uns egal sein.» Im Gegenteil. Wir sind eine Kirche, die in Spannungen lebt und sie aushält. Wir haben den Auftrag, bei den Menschen und für die Menschen da zu sein – alle Menschen:
– Egal, wie kirchlich sozialisiert oder kirchenfern sie sind.
– Egal, wie evangelikal oder liberal sie ihren Glauben leben.
– Egal, wie engagiert die Mitglieder sind.
Die reformierte Landeskirche lebt von der Vielfalt ihrer Mitglieder und sucht trotzdem ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

Die Vision sieht Kirche nicht statisch, sondern bewegt. Nicht stabilisiert, sondern im Aufbruch: im Aufbruch zwischen Gott und Mensch, zwischen Evangelium und Gesellschaft. Eine Kirche, die in der Welt etwas bewegen will und sich selber bewegen lässt.

Sieben Leitsätze präzisieren die Vision
1. Auf die Bibel hören – nach den Menschen fragen.
2. Vielfältig glauben – Profil zeigen.
3. Offen für alle – solidarisch mit den Leidenden.
4. Die Einzelnen stärken – Gemeinschaft suchen.

5. Bewährtes pflegen – Räume öffnen.

6. Vor Ort präsent – die Welt im Blick.

7. Die Gegenwart gestalten – auf Gottes Zukunft setzen.

Die Vision mit ihren Leitsätzen ist sorgfältig aufgebaut. Da werden die Menschen nicht dazu aufgefordert, die Bibel zu lesen, sondern auf die Bibel zu hören. Wir sollen nach den Menschen fragen und uns nicht nur für sie interessieren. Jeden Einzelnen will man stärken und nicht lediglich respektieren. Das Bewährte soll gepflegt werden und nicht nur geachtet. Die Gegenwart der Kirche möchte gestaltet werden und auf die Zukunft Gottes wollen wir setzen, nicht nur darauf hoffen.

Der ganze Text strahlt Zuversicht und Entschlossenheit aus. Eine Kirche mit einer solchen Vision setzt Prioritäten. Sie sieht sich als Kirche Gottes, als Kirche Jesu Christi. Sie steht zu ihrer Sache.

Jeder einzelne Leitsatz birgt in sich ein Spannungsfeld, in dem sich die Kirche tagtäglich bewegt: Wie viel blosse Mitgliedschaft ist möglich, wie stark fordert man Engagement? Wie viel Vielfalt kann, wie viel Einheit muss sein? Versteht man Kirche mehr als Organisation oder als Gemeinschaft?

Unsere Landeskirche will Volkskirche sein. Eine Volkskirche zeichnet sich dadurch aus, dass sie all diese Spannungen nicht leugnet oder auflöst, sondern zuerst bejaht und dann versucht, sie zu gestalten. Damit wird angedeutet, dass sich die Vision als Richtungsgeberin in einer offenen Volkskirche versteht, die sich entlang ihrer Spannungsfelder weiterentwickelt. Das ist eine grosse Herausforderung. Wir Menschen lieben Harmonie mehr als Spannung, mehr die Ruhe als die Bewegung. Die Kirche der Zukunft soll aber nicht eine beruhigte Kirche sein, sondern eine bewegte.

Die Gedankenstriche in den Leitsätzen zeigen an, dass sich das Leben in der Kirche in Spannungen vollzieht.

Die Gedankenstriche sind deshalb nicht bloss ein «und». So, als ob wir einfach das eine tun würden und das andere auch. Nein, sie unterstreichen, dass immer beide Seiten des Leitsatzes beachtet und im Handeln der Kirche ausbalanciert werden müssen.

Wenn wir beispielsweise den Einzelnen stärken und gleichzeitig die Gemeinschaft suchen, kann sich dies möglicherweise konkurrieren und trotzdem müssen wir Wege finden, beides zu tun.

Und eine Kirchgemeinde mag vor Ort wunderbare Arbeit leisten. Sie darf dabei aber nie vergessen, dass sie Teil der weltweiten Kirche ist. Die Gedankenstriche zeigen an, dass Kirche sein immer ein dynamischer Prozess ist.

Wir kirchlichen Mitarbeiter haben manchmal das Gefühl, die Kirche und ihre Leitung drehe sich vor allem um sich selber und befasse sich vorrangig mit Strukturen und Finanzen. Auch in der oben erwähnten Präsentation in Zweisimmen wurden solche Meinungen geäussert.

«Gute Vorsätze, aber kaum Neues», hiess es zum Beispiel. Eine Person vermisste das Zündende: «Eine Vision muss mich aufrütteln, das hier ist mir zu integrierend.» Wieder anderen ist sie zu wenig konkret, zu banal.

Ich denke, da werden wir der Vision nicht gerecht. Ich gehöre zu denjenigen, die die Vision und die sieben Leitsätze kraftvoll und tiefgründig finden.

Mit etwas Nachdenken fällt mir in allen Handlungsgebieten der Kirche etwas ein, wie man sie ganz durchbuchstabieren könnte. Sei es im KUW oder in der Altersarbeit. Im Altersheim oder im Gottesdienst.

In der Vision spricht eine engagierte Kirche. Eine Kirche, die ihren Auftrag kennt und ernst nimmt. Eine Kirche, die sich von Gott zu den Menschen gesandt sieht. Eine Kirche, die den Felsen und das Fundament kennt, auf dem sie aufgebaut ist.

Besonders eindrücklich ist, dass in Vision und Leitsätzen derselbe Rahmen aufleuchtet, den auch die Bibel hat: Am Anfang und am Schluss ist Gott! Der erste Satz der Bibel lautet: «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde» (Gen. 1.1) und entsprechend derjenige der Vision: «Von Gott bewegt». Und in den letzten Kapiteln der Bibel stehen die Sätze: «Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde» (Offb. 21.1) und «Amen, komm Herr Jesus» (Offb. 22.20). Und deshalb im letzten Leitsatz: «Auf Gottes Zukunft setzen». Wie die Bibel, so weiss auch die Vision: A und O unseres Lebens und alles Geschaffenen ist der liebende Gott.

Liebe Leserin, lieber Leser, ich freue mich auf das Fest am 10. September. Und Sie? Kommen Sie auch?

IHRE MARIANNE AEGERTER


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